Verschwörung in Florenz
sie war so …« Anne brach ab, und Giacomo sah sie neugierig an. Eigentlich hatte sie ihm von Giovannas Besuch bei ihr erzählen wollen, doch im letzten Moment überlegte sie es sich anders. »Vergebt mir, Signor Giacomo, in Euren Augen muss ich dastehen wie ein indiskretes, geschwätziges Weib. Ich möchte keinesfalls die Wunde, die der frühe Tod Eurer Schwester Euch geschlagen hat, wieder anrühren. Doch leider hatte ich keine Gelegenheit mehr, Giovanna näher kennen zu lernen. Am Abend von Lorenzo de Medicis Fest bin ich ihr zum ersten Mal begegnet. Und ich wünschte, mir wäre mehr Zeit geblieben, mit ihr zu sprechen. Ich hatte den Eindruck, dass uns beide viel verband. Aber wenn es Euch zu sehr schmerzt, über Giovanna zu reden, so habe ich volles Verständnis, wenn Ihr das Gespräch anderen Themen zuwendet.«
»Nein, nein, lasst nur«, erwiderte Giacomo, während er mit beiden Händen die hölzernen Lehnen seines Sessels rieb. »Da sie selbst nun nicht mehr unter uns weilt, ist es meine größte Freude, von ihr zu erzählen.« Er nickte. »Ihr hättet gewiss keine treuere Freundin haben können als Giovanna. Leider ließ ihre Krankheit nicht viele Kontakte zu anderen jungen Frauen zu. Sie hat deswegen nie geklagt, und wenn ich mit ihr darüber gesprochen habe, so sagte sie immer, dass meine Gesellschaft, die Abende am Kamin in der Bibliothek ihre größte Freude seien. Sie war so eine gute und bescheidene Seele.« Er schwieg einen Augenblick und blinzelte, als wäre ihm eine Fliege ins Auge geflogen. »Doch ich bin davon überzeugt, dass sie im Grunde ihres Herzens einsam war und den Umgang mit anderen jungen Frauen und Männern vermisste.«
»Seit wann war Eure Schwester denn krank?«, fragte Anne. »Verzeiht, wenn ich Euch …«
Doch Giacomo winkte ab. »Schon seit vielen Jahren«, erwiderte er. »Sie war noch ein junges Mädchen, als es begonnen hat. Ein Mann hatte ihr den Hof gemacht. Er hatte ihr sogar die Ehe versprochen, und dann …«
»Er hat sein Versprechen nicht gehalten?«, half Anne ihm weiter. Sie sprach bewusst leise, behutsam, so wie sie es immer tat, wenn sie bei einem Interviewpartner den entscheidenden Punkt berührt hatte, jenen, der zwar für den Betroffenen schmerzhaft, doch gerade deshalb auch so höllisch interessant für die Leser war.
Giacomo warf ihr einen raschen Blick zu. »Ja. Ihr wisst davon?«
»Nein, ich habe geraten. Ich …«
»Ich dachte, man hätte es Euch vielleicht erzählt. Doch vielleicht schämen sie sich. Vielleicht schämen sie sich dafür, dass es einer von ihnen war. Einer von den Medici. Ich spreche von Lorenzos Vetter Cosimo …«
Anne zuckte zusammen. Sie war erschrocken über den hass-erfüllten Ton, mit dem Giacomo diesen Namen aussprach. Er starrte dabei in die Flammen, als würde er Cosimo für den Tod seiner Schwester verantwortlich machen und als wünschte er sich, den ehemaligen Freund dort in der heißesten Glut brennen zu sehen.
»Gewiss seid Ihr bestürzt, wenn ich Euch jetzt sage, dass ich meinen Reichtum dafür geben würde, seinen Kopf auf einem silbernen Tablett serviert zu bekommen. Aber …« In einer hilflosen Geste zuckte er mit den Schultern. »Ich kann es nicht. Ich kann ihn nicht selber töten. Und ich kann auch keinen Mörder anheuern, um dieses grausige Geschäft verrichten zu lassen, obwohl das Geld nun wahrlich keine Rolle spielen würde. Ich schäme mich für diese niederen Gedanken und bitte jeden Tag mehrfach Gott um Vergebung. Sosehr ich ihn auch hasse, ich kann ihn nicht töten. Cosimo war einst mein Freund. Ich weiß nicht, ob Euch das bekannt ist.«
»Ich habe davon gehört«, sagte Anne vorsichtig.
»Wir waren nicht einfach nur Freunde, Signorina Anne. Wir waren wie Brüder, ach, was sage ich, wir waren wie Zwillingsbrüder. Wir wussten stets, was der andere dachte, was der andere fühlte. Es gab nichts, was wir ohne den anderen getan haben. Alles geschah gemeinsam. Bis zu jenem Tag.« Er biss sich nachdenklich auf die Lippe und sprach dann langsam und leise weiter. »Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Wir haben auf dem Jahrmarkt das Zelt der Hexe aufgesucht. Eigentlich wollten wir uns einen Liebeszauber beschaffen, einen Trunk, der uns begehrenswert machen sollte. Wir waren junge Narren, deren Gedanken meist unbefangen zwischen unseren Beinen baumelten.« In der Erinnerung versunken, lächelte er vor sich hin. »Doch die Hexe gab uns keinen Liebeszauber. Sie verkaufte uns stattdessen eine alte,
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