Verschwörung in Florenz
darauf, dass er sich wieder beruhigte und weitersprach. »Cosimo hasst nicht nur mich, Signorina Anne, er hasst alle, die glücklicher, zufriedener sind als er selbst. Deshalb richtet sich auch sein ganzer Hass gegen seine Familie, insbesondere seinen Vetter Lorenzo und dessen Bruder Giuliano. Er hat mich zerstört. Und so wie ich ihn kenne, wird er sich mit diesem Triumph nicht lange zufrieden geben. Er sucht bereits nach dem nächsten Opfer, das er verderben kann, indem er ihm etwas nimmt, was ihm teuer ist.«
Anne schluckte. Spielte Giacomo etwa auf die Pazzi-Verschwörung an? Wusste er bereits etwas darüber? Hatte er erfahren, dass Cosimo Pläne schmiedete, seinen Vetter Giuliano umzubringen? Das Motiv wäre klar – der von allen geächtete Cosimo hasste Lorenzo wegen seines Ruhmes, seiner Macht und seines gesellschaftlichen Erfolges. Und er hasste Giuliano wegen seiner Schönheit, seiner Fröhlichkeit und seiner Beliebtheit. Mit Giulianos gewaltsamem Tod würde er beide treffen, das waren zwei Fliegen mit einer Klappe. Wollte Giacomo sie etwa warnen? Allerdings nützten ihr vage Vermutungen nichts. Sie brauchte konkrete Hinweise.
»Habt Ihr einen speziellen Verdacht?«, fragte sie. »Verzeiht, wenn ich in Euch dringe. Euch mag das ungehörig erscheinen, doch das Wohl der Familie Medici, und ganz besonders das von Giuliano, liegt mir sehr am Herzen. Wenn Ihr also einen Verdacht habt, wenn Ihr von Plänen gehört haben solltet, die gegen einen von ihnen gerichtet sind, so sagt es mir hier und jetzt. Ganz gleich, wie vage dieser Verdacht auch sein mag und wie unhöflich und beleidigend es Euch auch erscheinen mag, ihn vor mir zu äußern. Wenn man damit einen Menschen vor Schaden bewahren kann, so heiligt der Zweck die Mittel, und Gott wird Euch diese Indiskretion verzeihen. Bedenkt, was Ihr selbst dafür gegeben hättet, wenn Ihr einen Hinweis auf Cosimos Pläne erhalten hättet, noch bevor es ihm gelungen war, Eure Schwester in seine Gewalt zu bringen.«
Atemlos wartete Anne auf Giacomos Antwort. Sie musste lange warten. Eine endlose Zeit starrte er ins Feuer. Doch schließlich nickte er.
»Ihr habt Recht, Signorina Anne«, sagte er leise. »Wäre ich eher gewarnt worden, würde Giovanna heute noch leben. Sie wäre eine glücklich verheiratete Frau, umgeben von einer Schar wunderbarer Kinder. Deshalb …« Er richtete sich auf, wandte sich ihr zu und ergriff ihre Hände. Sein Blick hatte etwas Rührendes. »Was ich Euch jetzt mitteilen werde, ist nur für Eure Ohren bestimmt. Ich erzähle es Euch unter dem Siegel der Verschwiegenheit.« Er schaute rasch über seine Schulter, als würde er fürchten, von einem Diener belauscht zu werden, dann beugte er sich vor und flüsterte: »Ich habe erfahren, dass Cosimo Kontakte zu Feinden der Medici unterhält. Er wurde beobachtet, wie er mit einer gemieteten Kutsche nach Siena gereist ist. Dort soll er den Kardinal und die Stadträte zu einer geheimen Unterredung aufgesucht haben. Und sein neuer Diener, dieser Anselmo, ist ein gerissener Dieb. Bevor er in Cosimos Dienste trat, hat er als Harlekin verkleidet auf dem Markt die Menschen bestohlen. Man sagt, dass er nun sein verdorbenes Talent im Dienste Cosimos einsetzt. Er lässt Lügen verbreiten, er stiehlt Verträge und schriftliche Vereinbarungen und verärgert und erschreckt somit die Geschäftspartner der Medici. Wenn ihm nicht bald Einhalt geboten wird, werden sie ihren Reichtum verlieren. Mehr noch, das Volk wird sich gegen sie erheben, und man wird sie mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagen. Die Ehre der Pazzi hat Cosimo bereits zerstört. Lasst es nicht zu, dass ihm dies auch mit der Familie Medici gelingt.«
Anne schauderte. »Aber was kann ich tun?«, fragte sie und hoffte, dass Giacomo einen konkreten Ratschlag parat hatte, den sie einfach nur in die Tat umsetzen musste. Doch sie wurde enttäuscht.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Giacomo und seufzte. »Ihr seid klug, Signorina Anne. Vielleicht fällt Euch etwas ein, um ihm noch rechtzeitig das Handwerk zu legen. Ich kann Euch nur raten, Cosimo zu beobachten und ihm unter gar keinen Umständen zu vertrauen. Und so schmeichelnd sein Charme auch sein mag, er ist ein Dämon. Er hat kein Gewissen, er verspürt keine Reue. Er hat seine Seele bereits vor vielen Jahren dem Teufel verschrieben.«
Ein Diener trat ein, um ein paar Scheite nachzulegen. Doch Anne zuckte erschrocken zusammen und hätte beinahe geschrien.
»Verzeiht, ich …«, stammelte
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