Verschwörung in Florenz
unersättlich. Und er trat alles mit Füßen, was gut und ehrenhaft ist. Er trieb es so schlimm, dass gute Männer es selbst bei Tageslicht nicht mehr wagten, ihre Töchter oder Schwestern ohne Begleitung aus dem Haus zu lassen. Auch ich wachte über Giovanna, machte ich mir doch ernsthafte Sorgen um die Sicherheit meiner Schwester. Ich versuchte die Geschäfte der Familie von unserem Haus aus zu führen. Doch schließlich ließ es sich nicht vermeiden, dass ich für einige Tage verreisen musste, um auf den Ländereien unserer Familie nach dem Rechten zu sehen. Darauf hatte Cosimo jedoch nur gewartet. Sobald ich der Stadt den Rücken gekehrt hatte, nutzte er die Gunst der Stunde und machte sich während meiner Abwesenheit an Giovanna heran.«
Giacomo ballte die Hände, und seine Stimme begann vor mühsam unterdrückter Empörung zu beben.
»Er ging überaus geschickt vor, o ja! Erst wickelte er sie mit seinem Charme ein. Er brachte ihr Blumen, schenkte ihr Süßigkeiten und machte ihr den Hof wie ein vollendeter Kavalier. Und dann, als sie ihm schon hörig war, begann er Giovanna abscheuliche Lügen über mich zu erzählen. Er versuchte sie dazu zu bewegen, mit ihm zu gehen und Florenz zu verlassen. Meine Schwester war so jung, so unerfahren, so voller Tugend und frei von jedem Argwohn. Cosimo hätte gar nicht das ganze Ausmaß seiner Kunst an ihr ausprobieren müssen. Giovanna war ihm bereits nach kurzer Zeit verfallen, ein hilfloses Werkzeug in seiner Hand, seinem Charme und seinem Ränkespiel schutzlos ausgeliefert. Beinahe hätte sie seinem Drängen und Werben nachgegeben und Florenz verlassen, doch glücklicherweise kehrte ich etwas früher als geplant nach Hause zurück. Und in dem Moment, als er und ich einander gegenüberstanden, lernte Giovanna sein wahres Gesicht kennen. Er verschwand und ließ meine arme junge Schwester mit gebrochenem Herzen zurück. Sie weinte vor Reue und Scham. Leider war es schon zu spät. Sie erwartete bereits ein Kind von ihm. Der Schreck über das, was Cosimo ihr angetan hatte, führte zu einer Fehlgeburt. Seit damals war sie nicht mehr dieselbe.« Er schüttelte langsam den Kopf. Dann richtete er sich auf.
»Ich weiß nicht, weshalb ich Euch davon erzähle, Signorina Anne. Vielleicht weil ich Euch warnen will. Ihr seid so jung, so schön, so tugendhaft. Ihr erinnert mich an meine Schwester, wie sie einst war, bevor dieser Schurke ihr Leben zerstört hat. Auch Ihr glaubt noch an das Gute im Menschen und könnt Euch daher vielleicht nicht vorstellen, welcher Dämon in dem Körper dieses gut aussehenden Mannes wohnt. Ihr seid das ideale Opfer für ihn. Er wird versuchen auch Euch zu verführen. Und ich wäre untröstlich, wenn es ihm gelänge und Ihr seinen verhängnisvollen Einflüsterungen erliegen würdet.«
Anne schwieg. Sie mochte sich nicht ausmalen, welche Tortur die arme Giovanna im Laufe der Jahre erlebt hatte. Und doch meldete sich ein seltsames dumpfes Unbehagen, ja, vielleicht sogar Zweifel in ihr. Hatte Cosimo denn bislang überhaupt versucht sich an sie heranzumachen? Er hatte ein paarmal mit ihr gesprochen, doch meist war es um die Einladung und das Elixier gegangen. Und dabei hatte er alles getan, um den Eindruck eines zynischen, launischen, eingebildeten Großmauls bei ihr zu hinterlassen. Wenn das seine Art war, Frauen um den Finger zu wickeln, so war sie wahrhaftig neu und originell. Andererseits – weshalb verteidigte sie ihn, wenn sie nicht aus irgendeinem unerklärlichen Grund etwas für diesen schrecklichen Mann empfand? Hatte er es vielleicht gerade mit seiner unmöglichen Art geschafft, sie zu faszinieren und somit unbemerkt auf seine Seite zu ziehen?
»Weshalb sollte er ausgerechnet mich verführen wollen?«, fragte Anne.
Giacomo zuckte mit den Schultern. »Wer kann schon sagen, welche Gedanken einen wirren Geist zu seinen Taten treiben?« Er presste die Lippen aufeinander, als würde er nur mühsam die Tränen zurückhalten können. »Im Grunde ging es ihm damals nicht um Giovanna. Er hatte mich verletzen wollen. Und es ist ihm geglückt. Ich weiß nicht, ob Ihr ermessen könnt, Signorina Anne, welche Qual es bedeutete zu sehen, was dieser Teufel aus Giovanna gemacht hatte, Tag für Tag hilflos mit anzusehen, wie sie litt, ohne jemals Hoffnung auf Heilung haben zu können, und bei all dem stets daran denken zu müssen, wie schön, wie fröhlich und lebendig sie einst gewesen war.« Er bedeckte seine Augen mit der Hand, und Anne wartete schweigend
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