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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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hatten sie das Gesicht eines realen Menschen.
    Um drei Uhr morgens schließlich hatte sie eine Schlaftablette genommen. Und die rächte sich jetzt. Sie hatte rasende Kopfschmerzen. Es fühlte sich an, als ob nicht nur ihre Haut, sondern ihr ganzer Schädel über Nacht geschrumpft wäre. Am liebsten wäre sie noch liegen geblieben, ein kühles Tuch auf der Stirn, um bis in die Mittagsstunden den versäumten Schlaf nachzuholen, aber dafür hatte sie keine Zeit. Sie mussten ihre Termine einhalten. Sie wollten mit dem Bürgermeister sprechen, um zwölf Uhr fand das traditionelle florentinische Essen im Rathaus statt, um fünfzehn Uhr waren sie mit einem Mitarbeiter von Gucci verabredet, und vorher wollten sie sich auch noch den Markt anschauen.
    Mühsam tastete Anne sich ins Bad vor. In ihrem Schminkkoffer bewahrte sie neben den üblichen Kosmetika auch ihre Reiseapotheke auf – ein Schlafmittel, Baldriandragees, eine Salbe gegen Mückenstiche und Verbrennungen, etwas gegen Übelkeit und Durchfall und natürlich Aspirin. Anne warf eine Brausetablette in das Zahnputzglas. Während die Tablette im Wasser vor sich hin sprudelte, ließ sie sich Badewasser ein. Sie leerte das Glas in einem Zug, stieg in das heiße Wasser und war froh, dass sie sich gestern Abend in geradezu hellseherischer Voraussicht entschieden hatte, sich eine Stunde früher als nötig wecken zu lassen. Hektik hatte auf ihre Kopfschmerzen stets den gleichen Effekt wie ein Lagerfeuer auf eine Stange Dynamit. Natürlich wäre es verlockend gewesen, eine Stunde länger zu schlafen, doch so hatte sie wenigstens genug Zeit für ein Bad. Sie konnte in Ruhe frühstücken und dann ganz entspannt und ohne Kopfschmerzen mit Thorsten über den Markt schlendern, sich Notizen machen, ein paar Fotos schießen. Das hoffte sie wenigstens.
    Während sie den Zitronengrasduft des hoteleigenen Badezusatzes einatmete und die entspannende Wärme genoss, ließen das Hämmern hinter ihrer Stirn und der fürchterliche Druck tatsächlich allmählich nach. Und im gleichen Maße wie ihre Kopfschmerzen verschwand auch die Erinnerung an den seltsamen Mann bei Giancarlo, die sie die halbe Nacht wach gehalten hatte. Als sie aus der Wanne stieg und sich abtrocknete, war sie nicht einmal mehr sicher, ob es diesen Mann wirklich gab. Und während sie sich anzog und schminkte, beschloss sie, dass die Begegnung mit diesem Mann nur in einem der wirren Träume dieser Nacht stattgefunden hatte.
    In bester Laune verließ sie schließlich ihr Zimmer und ging zum Frühstück in das Restaurant des Hotels. Dort nannte sie dem Kellner ihre Zimmernummer, bestellte Kaffee und freute sich über das Büfett, das für italienische Verhältnisse überaus reichhaltig ausfiel. Thorsten war nicht da. Anne war nicht traurig deswegen, im Gegenteil. Sie genoss es, allein mit einer Zeitung am Tisch zu sitzen und während des Lesens den köstlichen Kaffee zu trinken und knusprig frische Brötchen zu essen.
    Sie traf sich mit Thorsten um zehn Uhr in der Hotelhalle. Er wirkte genauso zerknittert und ungewaschen wie am Vortag, und Anne verkniff sich gerade noch im letzten Augenblick die Frage, ob in seinem Zimmer das Bad defekt sei. Thorsten war empfindlich, und wenn er schlechte Laune hatte oder gar beleidigt war, war die Arbeit mit ihm so gut wie unmöglich.
    »Guten Morgen«, sagte sie stattdessen und setzte ihr strahlendstes Gute-Laune-Lächeln auf. Es musste schließlich niemand wissen, dass sie in dieser Nacht einen wahren Horrortrip erlebt hatte. Das half niemandem weiter, am wenigsten ihr selbst, und ihre Arbeit brachte es schon gar nicht voran.
    »Wollen wir los?«
    »Wohin willst du?«, fragte Thorsten mit einer Stimme, als hätte er in der Nacht mit einer ganzen Heavymetal-Band um die Wette gesoffen.
    »Ich dachte, wir sehen uns zuerst den Markt an. Wie ich hörte, öffnet er seine Pforten um zehn Uhr, und wir haben noch eine Stunde Zeit, bis uns der Bürgermeister zum Interview im Rathaus erwartet. Hast du deine Kamera und genügend Filme dabei?«
    Thorsten nickte, klopfte auf eine dicke Tasche, die an seinem Gesäß baumelte, und machte ein Gesicht, als hätte sie ihn gefragt, ob er sich die Zähne geputzt hatte. Natürlich, wie konnte sie das nur vergessen. Ein Mann wie Thorsten trennte sich nie von seiner Kamera. Vermutlich hatte er sogar ein wasserdichtes Etui für sie anfertigen lassen, damit er sie auch beim Duschen dabeihaben konnte.
    Sie legten ihre Schlüssel auf den Tresen der

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