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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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hören, nicht einmal ein Motorroller oder Fahrrad, und die Besitzer der Straßencafés hatten Stühle und Tische eingeräumt. Stolz erhoben sich rund um den Neptunsbrunnen die Fassaden der mittelalterlichen Häuser und Paläste. Man hörte die Rufe der Händler, die Bienenwachskerzen, Wollstoffe oder frisch gebackenes Brot anpriesen, und die den heutigen Menschen seltsam anmutenden Klänge der Musik der Gaukler. In bunter fröhlicher Schar zogen sie kreuz und quer über den Platz, jonglierten mit Bällen, schluckten Feuer oder bildeten geschickt eine menschliche Pyramide.
    Thorsten war mittlerweile hellwach und ganz und gar in seinem Element. Der erste Film war bereits verknipst. Er drückte Anne die Filmrolle in die Hand und legte einen neuen Film ein, um eine Frau in einem besonders hübschen Kleid zu fotografieren, die in einem Weidenkorb Rosen und kleine Blumensträuße trug, welche sie an die Marktbesucher verkaufte. Anne sah sich nach dem nächsten lohnenden Motiv um, als ihr wie aus heiterem Himmel ein Narr vor die Füße sprang. Der Mann trug eine Augenmaske und war mit einem eng anliegenden grellbunten Harlekinkostüm bekleidet, das an den Säumen mit Schellen verziert war, die bei jeder Bewegung leise klingelten. Solche Schellen befanden sich auch an den Spitzen seiner Schuhe, den Zipfeln seiner ausladenden bunten Mütze und dem mit bunten Bändern verzierten Stab, den er in der Hand hielt wie ein Zepter. Er war ein Narr wie aus einem Bilderbuch.
    »Signora, wunderschöne liebreizende Signora, willkommen in dieser Stadt, willkommen in diesem Land, willkommen in dieser Welt!«, rief er, machte eine übertriebene Verbeugung und schwang dabei seinen Stab durch die Luft wie der Zeremonienmeister eines Königs. Dann kauerte er sich vor Anne auf den Boden wie ein Frosch. »Wohin des Weges? Seid Ihr gekommen, den jungen Tag zu begrüßen? Doch Ihr solltet eilen, sonst ist der Tag bereits alt und trägt das Federkleid eines greisen Mannes, bevor Ihr ihn eingefangen habt.«
    Anne musste lachen.
    »Darf ich Euch helfen, den Tag zu suchen, schöne Signora? Ich sah ihn erst kürzlich am anderen Ende des Marktplatzes. Vielleicht ist er noch dort.«
    Der Harlekin sprang so unvermittelt aus der Hocke in die Höhe, dass Anne erschrocken zurückwich.
    »Nicht erschrecken, schönste aller Rosen«, sagte er und strich um Annes Beine herum wie eine Katze. »Habt keine Angst vor Arlecchino, der nur gekommen ist, um das taufrische Lächeln von Euren Lippen zu pflücken.«
    »Nun ist es aber gut«, sagte Anne. Andere Marktbesucher blieben bereits stehen, um der Show zuzusehen, und die Schar der Schaulustigen wurde immer größer. »Es reicht langsam.«
    »Nein, schöne Signora, bitte nicht, schickt Arlecchino nicht fort!« Der Harlekin hockte sich vor sie auf den Boden und begann zu hecheln und zu winseln. Dann rollte er sich sogar auf dem Boden herum, blieb schließlich auf dem Rücken liegen und bellte wie ein Hund, der gekrault werden wollte.
    Anne war allmählich genervt. Eigentlich wurde sie nicht dafür bezahlt, für andere den Hanswurst zu spielen. Sie warf einen Blick in die Runde des Publikums und entdeckte Thorsten, der mit vor der Brust verschränkten Armen zwischen all den anderen Zuschauern stand und sich ganz offensichtlich königlich amüsierte. Anne wurde heiß und kalt vor Zorn. Nicht, dass sie Hilfe gebraucht hätte. Mit dem Harlekin würde sie auch so fertig werden. Aber dass ein Kollege sich auf ihre Kosten amüsierte, ohne selbst auch nur einen Finger zu rühren, das machte sie wütend.
    Na warte, dachte sie und beschloss, den Zuschauern das zu geben, was sie verlangten, und das Spiel des Harlekins einfach mitzuspielen.
    Sie beugte sich vor, nahm den bunten Stab des Harlekins und begann ihm den Bauch zu kraulen. Dabei sagte sie immer wieder: »Guter Hund, braver Hund.« Ja, sie ließ sich sogar die Hand lecken. Schließlich nahm sie die Filmrolle, die Thorsten ihr vor ein paar Minuten gegeben hatte, und zeigte sie dem Harlekin.
    »Hol!«, rief sie und tat, als würde sie die Filmrolle in einen der schmalen, von Marktständen gebildeten Gänge werfen. Der Harlekin hechtete sofort auf allen vieren und mit lautem Gebell hinterher. Anne sah noch Thorstens vor Entsetzen bleiches Gesicht, bevor sie dem Harlekin folgte.
    Als sie ihn eingeholt hatte, hatte sich der Mann bereits erhoben, seine Augenmaske abgenommen und klopfte sich den Straßenstaub von seinem Kostüm.
    »Danke, Signora«, sagte er mit einem

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