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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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einflussreiche Familien, die gegen die Anwesenheit der Strega auf dem Markt Beschwerde einlegten und sie am liebsten davongejagt hätten, doch die kirchlichen Würdenträger erkannten wahrscheinlich, dass es sich um einen harmlosen Brauch handelte, der bereits im Mittelalter uralt war. Und sie waren weise genug, ihn nicht zu verbieten. Auf diese Art behielten sie die Kontrolle über die Strega. Die Geistlichen schlossen auch geheime Abkommen mit den Frauen. Die Strega wurde am Markttag geduldet, solange sie sich mit ihren ›Hexereien‹ auf Kräuterrezepte gegen Schlaflosigkeit und Gliederreißen sowie harmlose Liebeszauber, die der Treue und der Fruchtbarkeit dienen sollten, beschränkte. Dafür legte die Strega den meisten ihrer ›Kunden‹ zusätzlich zu den verkauften Kräutern den Besuch der Messe, die Beichte oder das Rosenkranzgebet nahe – natürlich stets verbunden mit einer großzügigen Spende. Und so waren denn alle zufrieden. Die jungen Mädchen standen Schlange vor dem Zelt der Strega, um das Gesicht ihres Zukünftigen in einem Spiegel zu sehen, die frommen Männer der Stadt waren beruhigt, weil der heidnische Unfug keine empörenden Ausmaße annahm, und die Priester und Bischöfe freuten sich über den regen Zustrom von bußfertigen, spendenwilligen Gläubigen im Anschluss an die Markttage.« Sie zuckte lächelnd mit den Schultern. »Florenz war eben bereits im Mittelalter eine freie, weltoffene Stadt. Und alle Bürger waren in ihren Seelen Kaufleute und Bankiers – die einen mehr, die anderen weniger.«
    Anne deutete auf einige Gegenstände, die in einem Korb lagen, der neben Arianna auf dem Boden stand.
    »Können Sie mir auch erklären, wozu das alles nützlich sein soll?«
    »Das sind die typischen Utensilien einer Strega zur Zeit der Medici – ein Spiegel, Kräutersäckchen, ein paar Amulette. Wir haben uns bemüht, die Ausstattung so authentisch wie möglich zu gestalten.« Arianna nahm ein paar der Säckchen aus dem Korb. »Die Kräuter sollen Abhilfe bei den unterschiedlichsten Beschwerden schaffen. Dieses hilft bei Schlaflosigkeit und wehrt Albträume ab. Das hier soll Schwermütigkeit lindern, und dieses ist gut gegen Muskel- und Gliederschmerzen.«
    Anne nahm skeptisch ein Säckchen, wog es in der Hand und roch daran. Es duftete angenehm. Als Raumduft für das Wohnzimmer waren die Kräuter bestimmt gut geeignet. Aber als Medikamentenersatz?
    »Und das soll wirken?«
    Arianna lachte. »Aber natürlich, denn es sind anerkannte Heilkräuter, die auch heutzutage von Apothekern und Ärzten bei entsprechenden Beschwerden empfohlen werden – Lavendel, Hopfen und Baldrian, Orangenblüten, Verbene und Zitronenmelisse, Wacholder, Arnika und Rosmarin, um nur ein paar Beispiele zu nennen.«
    »Ich bin froh, dass ich mich nicht auf solch einen Hokuspokus verlassen muss«, sagte Anne und reichte Arianna die Kräuter zurück. »Mir sind Tabletten lieber. Da ist wenigstens die Wirkung gesichert.«
    »Tatsächlich? Bedenken Sie aber, dass es früher keine Krankenkassen und kein Sozialsystem gab. Die wenigsten Menschen konnten sich die Dienste eines studierten Arztes leisten. Und daher war die Strega – ebenso wie der Bader, der Zähne zog oder kleine chirurgische Eingriffe vornahm – die Anlaufstelle der Armen. Und mal ganz ehrlich, wenn ich die Wahl hätte zwischen dem Kräutersäckchen einer Strega und den Methoden eines mittelalterlichen Arztes, zu denen Aderlass und das Trinken von Urin gehörte, würde ich nicht lange zögern.«
    Anne nickte. Arianna hatte Recht. Trotzdem schüttelte es sie vor Abscheu bei dem Gedanken, sich mitten auf einem Marktplatz mit einer schmutzigen Zange einen Zahn ziehen zu lassen oder sich bei Darmkrämpfen auf die Wirkung eines Kräutersäckchens verlassen zu müssen.
    »Und was hat es mit dem Spiegel auf sich?«, erkundigte sie sich, um von diesem unappetitlichen Thema abzulenken.
    »In diesen Spiegel«, sagte Arianna und griff in den Korb, »schauten die Mädchen, um das Gesicht ihres zukünftigen Ehemannes zu sehen. Dies war wohl der häufigste Grund, weshalb die Strega aufgesucht wurde. Und es gab viele Methoden, um die Neugierde der Mädchen zu befriedigen. Zum Beispiel die Münzmethode – drei Münzen in einer Vollmondnacht unter einem Obstbaum vergraben, sie in der folgenden Neumondnacht wieder herausholen und unter das Kopfkissen legen. Ich könnte wohl noch hunderte ähnlicher Rituale und Methoden nennen. Hier in Florenz jedoch kam, soweit wir wissen,

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