Verschwörung in Florenz
Außergewöhnliches. Sie würde hingehen, etwas essen, etwas trinken, mit einigen der Gäste plaudern, neue Leute kennen lernen, die Atmosphäre in sich aufnehmen und sich amüsieren. So wie sie es sonst auch tat, wenn sie irgendwo eingeladen war. Doch es nützte nichts, sie war aufgeregt und nervös wie ein junges Pferd vor seinem ersten Rennen.
Auf die Sekunde genau um Viertel vor acht klingelte in ihrem Hotelzimmer das Telefon, und der Portier teilte ihr mit, dass die bestellte Limousine vorgefahren sei. Anne warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Die Angestellte des Kostümverleihs hatte ihr ein paar Tipps für ein stilgerechtes Makeup und eine angemessene Frisur gegeben, und das Ergebnis war geradezu verblüffend. Anne Niemeyer, dreiunddreißig, Journalistin aus Hamburg, war verschwunden. Die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegensah, passte nicht zu der modernen Atmosphäre des Hotelzimmers. Sie gehörte in eine andere Epoche, und statt des schlichten verchromten Rahmens des Badezimmerspiegels hätte es ein vergoldeter mit üppigen Holzschnitzereien sein müssen, wie bei den Gemälden, die neben der Geburt der Venus in den Uffizien hingen.
Anne zog sich das lange Cape über, das ebenfalls aus dem Fundus des Kostümverleihs stammte und das wertvolle Kleid auf der Fahrt schützen sollte, und fuhr mit dem Fahrstuhl in das Foyer. Der Chauffeur wartete bereits auf sie, begrüßte sie höflich und begleitete sie zu einem schwarzen Bentley, dessen Chromteile im Licht der Abendsonne herausfordernd funkelten und blitzten. Anne kam sich vor wie Cinderella auf dem Weg zum Schloss des Königs, als sie sich in die weichen Ledersitze sinken ließ. Nervös knautschte sie den kleinen zum Kleid passenden und mit Blumen bestickten Seidenbeutel, in dem ein paar Geldscheine, ein Lippenstift, eine Probe ihres Lieblingsparfüms, ein Feuerzeug und ihre Zigaretten steckten.
Mach die Augen auf, damit du endlich merkst, dass du träumst, dachte sie und kniff sich so sehr in den Arm, dass sie beinahe aufschrie. Doch der Schmerz war ebenso real wie der schwere Granatschmuck, den sie um den Hals trug und der angeblich ebenfalls aus dem Besitz der Medici stammte.
Anne spürte kaum, wie der Bentley anfuhr. Sie hörte die Fahrgeräusche so gut wie gar nicht, und der Luxuswagen glitt so sanft über die Straßen der Stadt, dass man meinen konnte, die Räder würden den Asphalt überhaupt nicht berühren. Dabei gehörten die Straßen von Florenz nicht gerade zu den besten Italiens. Angenehme Jazzmusik drang aus den beiden Lautsprechern. Anne hatte das Gefühl, von einem Zauberteppich davongetragen zu werden.
Sie begann gerade sich völlig zu entspannen, als der Bentley bereits wieder hielt. Die Fahrt hatte nicht einmal eine Viertelstunde gedauert. Anne war enttäuscht. Sie hätte noch Stunden kreuz und quer durch die Stadt fahren können. Der Chauffeur öffnete die Autotür und half ihr beim Aussteigen – und im selben Augenblick setzte ihre Nervosität wieder ein. So seltsam und untypisch es auch für sie sein mochte, sie hatte Lampenfieber. Lampenfieber wie eine Schauspielerin bei ihrer ersten Oscarverleihung. Sie atmete ein paarmal tief ein und aus, nahm sich zusammen und zwang sich, ihre Gedanken auf etwas anderes als den bevorstehenden Maskenball zu richten. Als geeignetes Objekt bot sich die Fassade des Hauses an, in dem das Fest stattfinden sollte. Anne war überrascht, als sie erkannte, dass man sie zum Palazzo Davanzati gefahren hatte, einem Gebäude aus dem 14. Jahrhundert, in dem das Museo dell’ Antica Casa Fiorentina untergebracht war.
Dieser Mecidea achtet doch wirklich auf jedes Detail, dachte sie, als sie die hohe, fast turmartige Fassade des Gebäudes emporblickte. Sogar die Kulisse stimmt.
Sie ging auf den Türsteher zu, der in seinem vermutlich ebenfalls authentischen Kostüm aussah wie ein Mitglied der Schweizergarde im Vatikan. Er hielt sogar eine Hellebarde in der Hand. Gewissenhaft begutachtete er ihre Einladung, bevor er die Hellebarde hob und ihr den Weg in das Innere des Palazzo freigab. Ein Diener erwartete sie bereits und nahm ihr das Cape ab, brachte es in einen Garderobenraum und geleitete sie dann weiter in den Festsaal, wo sich schon im Schein von tausenden von Kerzen viele geladene Gäste versammelt hatten.
Anne fühlte sich, als hätte man sie in eine andere Zeit versetzt. Die Männer und Frauen sahen aus wie eine illustre Gesellschaft von Adligen, Bankiers und vornehmen Kaufleuten, die sich
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