Verschwörung in Florenz
überhaupt um eine handelte, harmlos war. Sie konnte sich auch nicht erklären, woher diese Gewissheit kam. Aber es fühlte sich anders an, zumindest anders, als sie sich einen Drogenrausch immer vorgestellt hatte. Ihre Umgebung wirkte nicht verzerrt, die anderen Gäste nahmen keine komischen oder erschreckenden Gestalten an. Es war eher wie ein Zauber. Ein Zauber aus einem Märchenfilm mit Flitter und rosa Wölkchen.
»Na, Signora Niemeyer«, fragte Mecidea mit einem Lächeln, das ihr mit einem Mal freundlich und vertraut erschien, »wollen Sie mich jetzt immer noch verlassen?«
»Nein«, antwortete Anne und war selbst überrascht, wie klar und deutlich ihre Stimme klang. »Ich würde gern noch eine Weile bleiben und ein bisschen tanzen. Vorausgesetzt, Sie gestatten es und werfen mich nach meinem abscheulichen Benehmen Ihnen gegenüber nicht hinaus.«
»Sie dürfen so lange bleiben, wie es Ihnen beliebt«, sagte Cosimo Mecidea. »Wenn Sie erlauben, führe ich Sie zur Tanzfläche.«
Anne reichte Mecidea die Hand und ließ sich von ihm in den benachbarten Saal führen, dessen Türen weit geöffnet waren. Dort tanzte sie zu den seltsamen Klängen der mittelalterlichen Instrumente der Kapelle, die Mecidea für diesen Abend engagiert hatte. Sie fühlte sich leicht wie eine Feder, sie glitt und schwebte über den Boden, ohne dass ihre Füße das Parkett berührten. So kam es ihr wenigstens vor. Trotzdem war ihr klar, dass sie nicht wirklich schwebte. Sie war ohne Zweifel berauscht, denn anders ließ sich diese Leichtigkeit und Beschwingtheit nicht erklären. Trotzdem arbeitete ihr Verstand so präzise, dass sie ohne weiteres hier und jetzt ihre Steuererklärung hätte ausfüllen können. Und das war bestimmt kein Selbstbetrug. Es war ein merkwürdiges Gefühl.
Hoffentlich steht hier nicht irgendwo ein Diener mit einer versteckten Filmkamera, dachte sie, während die Kapelle eine fröhliche Volksweise anstimmte und sie sich wieder um Cosimo Mecidea drehte. Das Lied wurde immer schneller und schneller. Sie wirbelte dabei wie ein Kreisel um sich selbst. Und als die Musik mit einem Paukenschlag aufhörte, taumelte sie lachend in Cosimos Arme, als wäre sie mit ihm bereits ihr halbes Leben lang befreundet.
»Ich glaube, mir ist schwindlig geworden«, sagte sie und sah zu seinem hageren Gesicht auf.
Er war genauso blass wie vorher, trotz der vielen schnellen Tänze, die sie gemeinsam hinter sich gebracht hatten. Und während sie sich Luft zufächeln musste und andere Männer bereits ihre hochgeschlossenen Kragen geöffnet oder Jacken ausgezogen hatten, war er immer noch bis zum Kinn verschnürt. Auf seiner weißen Haut perlte nicht ein einziger Schweißtropfen. Es war beinahe unheimlich.
»Wissen Sie, woran mich dieses Fest erinnert?«, sagte sie und arbeitete sich wieder aus seiner Umarmung heraus. Schwankend stand sie vor ihm, die Welt schien ein einziges großes Karussell zu sein. »Kennen Sie den Film von Roman Polanski, diesen …«
»Sie meinen Tanz der Vampire ?« Mecidea lächelte. Es war ein eigentümliches Lächeln. »Gewiss. Wenn Sie wollen, können wir gern gemeinsam vor einen Spiegel treten. Ich bin sicher, wir werden hier einen alten Spiegel finden, vor dem Sie sich davon überzeugen können, dass Sie es tatsächlich nur mit einem Menschen zu tun haben.«
»Nein, nicht nötig«, erwiderte Anne, schüttelte den Kopf und geriet gleich darauf wieder aus dem Gleichgewicht. Mecidea fing sie gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie zu Boden stürzte. »Ich glaube, ich gehe erst einmal nirgendwohin. Es dreht sich alles. Außerdem bekomme ich Kopfschmerzen.« Sie versuchte zu lächeln. »Vielleicht eine Migräneattacke? Wie unangenehm. Als kleines Mädchen konnte mein Vater mich stundenlang im Kreis drehen. Aber ich bin eben keine sieben mehr.«
»Ich bringe Sie in ein Nebenzimmer. Da steht ein Sofa. Sie können sich dort ein paar Minuten hinlegen und ausruhen. Kommen Sie.«
Mecidea griff ihr unter die Arme.
»Nein, ich möchte Ihnen auf gar keinen Fall Umstände machen. Ich …«
»Unsinn«, unterbrach er sie energisch. »Sie werden sich hinlegen.«
Er nahm einen dreiarmigen Leuchter und führte sie zu einer hinter einer Tapete verborgenen Tür. Der Raum dahinter war klein und fensterlos. An den Wänden hingen die alters-geschwärzten dunklen Porträts von zwei jungen Männern, in der Mitte stand ein antikes Sofa, daneben ein kleiner Tisch mit einem weiteren Kerzenleuchter. Cosimo Mecidea half ihr, sich
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