Verschwörung in Florenz
gut, dass Sie sich hier auskennen. Vieles wird für Sie einfacher sein.«
»Wie bitte?«
Cosimo Mecidea sah sie an, als ob er gerade aus einem Traum erwachen würde.
»Für Ihren Beruf, meine ich. Giancarlo erzählte mir, dass Sie Journalistin sind und an einer Reportage über das Calcio in Costume arbeiten.« Er reichte ihr eine flache Schale, auf der sich in einer kunstvollen Pyramide kleines kugeliges Gebäck türmte. »Bedienen Sie sich. Sie sind wirklich köstlich. Es handelt sich um Kekse, die es so nur hier in Florenz anlässlich des Calcio in Costume gibt. Mein Konditor stellt sie immer noch nach einem aus dem 14. Jahrhundert überlieferten Rezept her.«
Anne nahm eine der kleinen mit Mandelsplittern überzogenen Kugeln und lächelte. Doch in ihrem Inneren zitterte sie vor Anspannung. Mecidea konnte ihr Leckereien reichen und sie mit Köstlichkeiten füttern, soviel er wollte, er konnte sie nicht täuschen. Irgendetwas hatte er vor. Mit ihr. Warum auch immer. Und gerade eben hatte er sich – zu seinem eigenen Entsetzen – verraten. Sie musste das Fest verlassen. Sofort. Wo steckte nur Giancarlo? Und was hatte er Mecidea noch alles über sie erzählt?
»Sie wollen doch nicht etwa schon gehen?«
Mecideas Stimme ließ sie zusammenzucken wie ein Donnerschlag.
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte sie und ärgerte sich über sich selbst. Warum konnte sie sich nicht zusammenreißen. Sie ließ sich doch auch sonst nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Bei ihrem Gestotter musste er ja stutzig werden.
»Es steht Ihnen selbstverständlich frei, zu jeder beliebigen Zeit dieses Fest zu verlassen«, sagte Mecidea. Er winkte einen der Diener herbei und flüsterte ihm etwas zu. »Doch ich bitte Sie, bleiben Sie noch eine Weile, nur ein paar Minuten. Ich wollte Ihnen noch eine weitere Kostprobe einer Spezialität meines Hauses geben, in deren Genuss für gewöhnlich jeder meiner Gäste kommt. Es wird nicht lange dauern. Und danach, das verspreche ich Ihnen, werde ich die Limousine rufen, damit Sie in Ihr Hotel gefahren werden. Aber wer weiß, vielleicht überlegen Sie es sich dann noch einmal und bleiben etwas länger mein Gast.«
Sein Gesicht verriet alles. Cosimo Mecidea würde sie nicht gehen lassen, bis sie von dieser »Spezialität« probiert hatte, ob sie nun wollte oder nicht. Sie war sich sogar sicher, dass er sie zur Not gewaltsam festhalten würde. Sein Blick hatte so etwas Entschlossenes, Kaltes. Es war erschreckend.
»In Ordnung«, sagte Anne und fragte sich, ob sie wohl noch eine andere Möglichkeit hatte. »Ich bleibe noch eine Weile.«
»Ich versichere Ihnen, dass Sie es nicht bereuen werden«, sagte er und verneigte sich leicht. »Sie entschuldigen mich. Der Diener ist mit dem Tablett da. Und der Tradition entsprechend wird diese Spezialität ausschließlich von mir persönlich gereicht.«
Mecidea ging davon, und die Art, wie er sich bewegte, ließ sie erschauern. Es war eine Szene wie aus einem Film. Wenn er einen schwarzen Umhang getragen hätte, hätte dieser ihn umweht wie Fledermausflügel.
Sie beobachtete, wie er mit einem Diener sprach, der ein großes silbernes Tablett trug. Auf diesem Tablett thronte ein riesiger Kelch. Von weitem sah er aus, als hätte ihn ein Juwelier aus einem Rubin oder Granat geschnitten. Er machte einen unendlich kostbaren Eindruck. Langsam, Schritt für Schritt ging Mecidea in Begleitung des Dieners von einem Gast zum nächsten und reichte dabei den Kelch, als wäre er der Heilige Gral. Jeder Gast trank einen Schluck. Es war eine Szene wie bei einem Gottesdienst. Doch Anne war sicher, dass sich in dem Kelch nicht das Blut Christi befand. Vermutlich waren es Drogen, Heroin oder Kokain in einer ungewöhnlichen Darreichungsform. Oder vielleicht sogar etwas, dessen Rezept nur einer in diesem Saal kannte – Cosimo Mecidea.
In den folgenden Minuten suchte Anne fieberhaft nach einem Fluchtweg. Mit steigender Nervosität beobachtete sie, wie alle Gäste, Männer und Frauen, nacheinander aus dem Kelch tranken. Giancarlo war dabei, ein anderer Harlekin, offensichtlich sein Begleiter, trank nach ihm. Anne schüttelte sich. Auch wenn alle anderen förmlich Schlange standen, um endlich aus diesem Kelch zu trinken, wollte sie es um jeden Preis vermeiden. Doch die Türen waren abgeschlossen, und vor jeder stand ein Wächter. Und egal, was sie tat, wohin sie ging und hinter wem sie sich zu verstecken versuchte, Mecideas Blick war stets auf sie gerichtet, als gäbe es in
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