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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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die Unmöglichkeit von Zeitreisen. Ein Kredo, das sie mit mindestens neunundneunzig Prozent der Menschheit teilte. Wenn der Professor Recht hatte, so hatte sie sich – und damit auch alle anderen – gründlich geirrt.
    Anne ballte die Hände und atmete langsam aus. Sie hatte also eine Zeitreise hinter sich. Das allein war schon schwer genug zu begreifen. Aber wie sollte sie jetzt eine Antwort auf alle anderen Fragen erhalten, die dadurch aufgeworfen wurden? Wie war ihr zum Beispiel dieser Zeitsprung gelungen? Hatte es mit diesem seltsamen Gebräu zu tun, das sie auf Mecideas Fest hatte trinken müssen? Oder befand sie sich mitten in der Erinnerung an ein früheres Leben, etwa wie bei einer Hypnose? Aber warum erinnerte sie sich auch noch an ihr anderes Leben in Hamburg, an ihre Kollegen im Verlag, an Thorsten, ihren Auftrag hier in Florenz …?
    »Ruhig Blut. Find dich erst einmal damit ab, dass du jetzt im Mittelalter bist, das wir das Jahr 1477 schreiben und dass du Gast im Hause der Familie Medici bist«, flüsterte Anne sich selbst zu. »Das ist der erste Schritt. Wenn du das geschafft hast, kannst du immer noch versuchen herauszu-finden, wie und weshalb du hierher gekommen bist. Und dann, basierend auf diesen Erkenntnissen, hast du eventuell die Möglichkeit, nach einem Weg zu suchen, wieder nach Hause zu kommen.«
    Es klopfte an der Tür. Anne zuckte zusammen. Sie war selbst überrascht, dass sie offensichtlich eingeschlafen war, trotz der in jeder Hinsicht unbequemen Lage, in der sie sich gerade befand.
    »Signorina, seid Ihr erwacht?« Es war Matilda.
    »Kommen Sie herein«, antwortete Anne und dachte gleich darauf, dass sie wohl ihre Anrede ändern musste – und damit auch einige weitere Verhaltensweisen. Wenn sie sich tatsächlich im Mittelalter befand, dann sollte sie Matilda wohl besser duzen. Immerhin war die Frau nur eine Magd und sie selbst eine »Signorina aus vornehmem Hause«.
    »Ich bringe Euch etwas zu essen, Signorina«, sagte Matilda. Sie stellte ein Tablett mit einer Schüssel, einem Löffel, einem großen Stück Brot und einem Becher auf Annes Knien ab, deren Magen sich wie aufs Stichwort meldete. »Es ist zwar nur ein wenig Fleischbrühe, etwas Brot und mit Wasser verdünnter Wein, doch Ihr müsst erst wieder zu Kräften kommen. Andere Speisen wären in Eurem Zustand zu schwer verdaulich. Vielleicht seid Ihr heute Abend in der Verfassung, ein wenig Geflügel oder Pastete zu Euch zu nehmen.« Anne lief das Wasser im Mund zusammen. Nur mühsam verkniff sie sich die Bemerkung, dass sie einen Bärenhunger hatte und sich durchaus imstande fühlte, bereits jetzt eine ausgiebige Mahlzeit zu sich zu nehmen. Vor ihrem geistigen Auge tanzten ein knusprig gebratenes Hähnchen und eine köstlich duftende Pastete auf und ab. Im Vergleich dazu kam ihr die Fleischbrühe wie ein Gefängnisessen vor. Aber solange sie sich noch unsicher im Umgang mit den Menschen und Gebräuchen ihres derzeitigen Aufenthaltsortes fühlte, wollte sie lieber nicht wiedersprechen. Abgesehen davon roch die Fleischbrühe wirklich gut.
    Sie bedankte sich höflich, nahm den Löffel und begann zu essen. Die Suppe, eine klare Brühe, auf der ungezählte Fettaugen und einige Gemüsebrocken schwammen, schmeckte sehr gut. Und sie regte den Appetit an. Während Anne ihre Suppe löffelte, überlegte sie sich, was es hier wohl sonst noch zu essen geben mochte. Ausgehend vom Jahr 1477 bestimmt nicht die allgemein bekannten Pastagerichte. Kolumbus war zu dieser Zeit noch ein junger Kerl von Mitte zwanzig und vertrieb sich die Zeit auf verschiedenen Schiffen vor der englischen Küste. Erst in fünfzehn Jahren würde er mit der Santa Maria in Richtung Westen aufbrechen und dabei anstatt auf die indische Küste auf einen bisher unbekannten Kontinent stoßen. Und erst danach – viele, viele Jahre später – würden die kulinarischen Errungenschaften der Neuen Welt auch den europäischen Speisezettel bereichern: Kartoffeln, Kürbisse, Bohnen, Vanille, Tomaten … Es gab hier keine Tomaten! Dabei waren sie fast ein Sinnbild für Italien. Ohne sie war die Küche dieses Landes beinahe unvorstellbar.
    Und jetzt wirst du erfahren, wie es war, dachte Anne. Du bist auserwählt. Die erste Testperson des 21. Jahrhunderts, die in den Genuss der ursprünglichen, tomatenfreien italienischen Küche kommt. Giancarlo wird staunen. Wenn es nicht so verrückt wäre, könnte ich mich glatt darüber freuen und das Ganze als spannenden Abenteuerurlaub

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