Verschwörung in Florenz
kenne auch ihr exzellentes Gehör. Kein Wort könnten wir ungestört miteinander wechseln.« Er lehnte sich bequem zurück und schlug lässig seine Beine übereinander. »Also, Vetter, sprich. Worum geht es? Ich gehe nicht davon aus, dass dich allein die Sehnsucht, mich zu sehen, dazu bewogen hat, mir in aller Frühe einen Boten zu schicken.«
»Du hast Recht«, erwiderte Giuliano. Anne hörte das Beben in seiner Stimme und fragte sich, ob er sich wie Ludmilla vor seinem Cousin fürchtete oder ob er über sein Verhalten einfach nur wütend war. »Ich muss mit dir etwas besprechen. Dies ist die ehrenwerte Signorina Anne Niemeyer«, sagte er und deutete auf Anne. »Kennst du sie?«
Cosimos Blick glitt über Anne hinweg, als wäre sie eine Kuh, die ihm zum Kauf angeboten wurde.
»Nein, auch wenn ich es bedauere«, antwortete er und zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Sollte ich denn?«
»Umso verwerflicher ist das, was du getan hast!«, rief Giuliano aus und begann im Zimmer auf und ab zu laufen. »Wie konntest du nur, Cosimo? Wie konntest du Signorina Anne, die du noch nicht einmal kennst, zum hilflosen Opfer eines deiner üblen Scherze machen?«
Cosimo sah abwechselnd von Giuliano zu Anne. Und obwohl dieser Mann ihr unheimlich war, musste sie zugeben, dass er einen wirklich verblüfften Eindruck machte.
»Scherz? Welchen Scherz? Was habe ich denn …«
»Signorina Anne, zeigt ihm den Brief.«
Anne holte die Einladung aus ihrem Seidenbeutel hervor. Giuliano riss sie ihr fast aus der Hand und hielt sie Cosimo unter die Nase.
»Hier!«, rief er, vor Zorn bebend. »Willst du etwa leugnen, dass diese Zeilen aus deiner Feder stammen, dass dies deine Handschrift ist?«
Cosimo nahm den Brief, betrachtete ihn, las den Text, betrachtete ihn wieder von allen Seiten und las den Text zum zweiten Mal. Er runzelte die Stirn und biss sich nachdenklich auf die Lippe.
»Ich verstehe …«
»Du verstehst gar nichts«, ereiferte sich Giuliano. »Weißt du eigentlich, in welche Lage dein schändliches Spiel Signorina Anne gebracht hat? Ich hätte sie beinahe für eine gemeine Diebin gehalten, und das nur, weil du ihr das Collier von Clarice unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zugeschoben hast. Und Signorina Anne war so gutgläubig …«
»Collier?«
Die Art, wie er dieses Wort aussprach, so ganz ohne Spott und Zynismus, machte deutlich, dass Cosimo wirklich nicht wusste, worum es ging. Wie auch immer alles miteinander zusammenhängen mochte, in diesem Moment hatte er keine Ahnung, was los war. Er war, so merkwürdig das auch scheinen mochte, unschuldig.
»Nun tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche!«, schrie Giuliano aufgebracht, der wohl an die Unschuld seines Cousins nicht glauben wollte. »Wir kennen doch alle deine Scherze. Abgesehen von dir kann niemand über sie lachen. Und diesmal bist du wahrlich zu weit gegangen. Ich werde dafür sorgen, dass …«
»Verzeih, wenn ich dich unterbreche, verehrter Vetter«, sagte Cosimo und erhob sich. »Ich fürchte, du irrst dich. Diesen Brief habe ich nie zuvor gesehen, und ich habe ihn auch nicht geschrieben. Du und die verehrte Signorina Anne seid einem geschickten Fälscher auf den Leim gegangen. Gewiss wollte sich jemand einen Scherz mit euch erlauben. Doch ich versichere euch, dieser Jemand war nicht ich. Dieses Mal nicht. Ich fürchte, ich kann euch bei der Suche nach dem Schuldigen nicht weiterhelfen. Signorina. Giuliano.« Er verbeugte sich galant. »Ich empfehle mich.«
Und ehe noch jemand etwas zu sagen vermochte, war Cosimo verschwunden. Anne und Giuliano sahen sich an.
»Na, das ist doch aber …«, stieß Giuliano aus und machte Anstalten, Cosimo zu folgen, doch Anne hielt ihn zurück.
»Lasst ihn, Giuliano«, sagte sie. Ihr war ein Gedanke gekommen. Und selbst wenn er noch so verrückt und aberwitzig war, so bestand immerhin die Möglichkeit, dass diese Idee den Tatsachen entsprach. »Unter Umständen sagt Euer Vetter die Wahrheit. Vielleicht hat er den Brief wirklich nicht geschrieben.«
Giuliano schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich weiß nicht, Signorina Anne«, sagte er. »Ihr kennt ihn nicht. Er ist zu mancher Teufelei imstande. Das hat er oft genug bewiesen.«
»Ihr mögt Recht haben, und dennoch habe ich das Gefühl, dass er in diesem Fall unschuldig ist. Wenn er es aber doch nicht sein sollte, wenn er uns doch angelogen hat, so ist er jetzt gewarnt. Ich bin sicher, er wird einen ähnlichen Scherz nicht noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher