Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
komplizierte, verzwickte Lösungen erklären lassen, so widerspricht das dem ›Gesetz der Faulheit‹, wie ich es nenne. Diese Lösungen können nicht stimmen. Folglich müssen Sie Ihre Ausgangshypothese so lange ändern, bis sich die Lösung daraus von selbst ergibt. Und mit einer Wahrscheinlichkeit von nahezu hundert Prozent wird sich diese Hypothese dann auch als richtig erweisen, ganz gleich, wie unwahrscheinlich oder gar verrückt sie Ihnen auch zuerst erscheinen mochte.«
    Anne runzelte vor Anstrengung die Stirn. Natürlich konnte sie immer noch an eine Verschwörung glauben, an eine geschickte, alles umfassende, bis ins letzte Detail ausgearbeitete Inszenierung, mit dem Ziel, sie langsam, aber sicher in den Wahnsinn zu treiben. Doch weshalb sollte jemand so etwas tun? Sie war nicht die Erbin einer Lady Alquist. In ihrem Umfeld gab es keine Tante, die einen Teil der Kronjuwelen als Knöpfe an ihrem Kleid getragen hatte. Weshalb sollte sich jemand die Mühe machen, die Straßenbeleuchtung und den Verkehr aus einem bestimmten Teil der Stadt zu entfernen oder das mittelalterliche Florenz nachzubauen? Höchstens für ein gigantisches Filmprojekt. Giancarlo hatte beiläufig erwähnt, dass Mecidea auch Filme finanzierte. Doch dann blieb immer noch die Frage, was sie in den Filmkulissen verloren hatte. Hatte Mecidea etwa vor, eine Art neuer Trumann Show zu drehen? Ausgeschlossen. Anne war sich ziemlich sicher, dass ein derartiges Projekt die Möglichkeiten jedes Fernsehsenders übersteigen würde, selbst wenn Bill Gates sich neben Mecidea als bettelarm entpuppen würde. Warum sollte man ausgerechnet sie entführen? Das ergab alles keinen Sinn. Ein Traum oder Rausch kam nicht in Frage, dafür waren die Ereignisse inklusive der Kopfschmerzen und der Beule, die sie seit ihrem Zusammenstoß mit dem Bett am Hinterkopf hatte, einfach viel zu real. Nichts war verzerrt oder verschwommen. Die Möglichkeit von Halluzinationen und Wahnvorstellungen schob sie weit von sich. Sie war zwar kein Experte, doch psychisch Kranke fühlten und verhielten sich ganz bestimmt anders.
    Jede Lösung, über die sie nachdachte, war kompliziert, klang konstruiert und war somit falsch, um mit dem Professor zu sprechen. Alle, bis auf eine. Wenn sie nämlich davon ausging, dass Giuliano die Wahrheit gesagt hatte, als er ihr das Datum genannt hatte, passte plötzlich alles zusammen, dann fügten sich die Mosaiksteinchen aneinander und ergaben ein klares Bild. Dann war es logisch, dass die Diener sie bei der Erwähnung von Taxis blöde anglotzten, dass das Savoy und die Piazza della Repubblica einfach »verschwunden« waren. Dann erklärten sich auch die altertümliche Kleidung der Männer und Frauen, ihre altmodische Redeweise, die Einrichtung dieses Zimmers, die antiken Fensterläden, die ungewöhnlichen Geräusche auf der Straße, die Bleiglasfenster. Dann war es sogar möglich, dass Giuliano dem Porträt von Botticelli nicht nur ähnlich sah, sondern dass er wirklich der war, der zu sein er behauptete – Giuliano de Medici, der von den Florentinern innig geliebte jüngere Bruder von Lorenzo de Medici, jenem berühmten Spross dieser großen florentinischen Herrscherfamilie, den man bereits zu Lebzeiten nur »il Magnifico« genannt hatte.
    Anne holte tief Luft. Das alles klang so fantastisch, so unwahrscheinlich, so unglaublich. Es war jenseits aller Vorstellungskraft, es war verrückt. Und doch war es so erschreckend logisch, so simpel, so einfach … Wenn sie nur davon ausging, dass heute nicht der 24. August 2003, sondern der 7. Oktober 1477 war, so ergab sich alles andere wie von selbst. Erneut fielen ihr die Worte des Professors ein. Natürlich war es verrückt zu glauben, sie befände sich gerade in diesem Augenblick im 15. Jahrhundert. Aber ganz gleich, wie sie es auch drehte und wendete, dies war die einfachste Lösung, und somit musste sie auch zutreffen. Das »Gesetz der Faulheit«. Diese Theorie klang logisch und einleuchtend – wohlgemerkt in der Theorie. Der Professor hatte dafür schließlich sogar den Nobelpreis erhalten. Anne konnte sich noch gut daran erinnern, dass sie sich gefragt hatte, weshalb nicht schon vor ihm andere Gelehrte auf diesen Nenner gekommen waren. Jetzt kannte sie die Antwort. So schön die Theorie vom »Gesetz der Faulheit« auch sein mochte, das Schwierige daran war, sie auch dann noch zu akzeptieren, wenn dadurch alles außer Kraft gesetzt wurde, woran man bisher geglaubt hatte.
    Wie zum Beispiel an

Weitere Kostenlose Bücher