Verschwörung in Florenz
dachte an Giuliano und musste lächeln. Zweimal hatte er sie im Laufe des Nachmittags in ihrem Zimmer besucht. Doch jedes Mal, wenn er bemerkt hatte, dass sie sich gerade die Haare kämmte oder eine Kette umlegte, hatte er die Tür ohne ein Wort hinter sich zugeworfen. Wahrscheinlich wusste er bereits, dass Cosimo eingetroffen war. Er hatte bestimmt dafür gesorgt, dass man ihm die Ankunft seines Vetters sofort meldete. Von dieser Sekunde an würde er Höllenqualen durchleiden, bis Cosimo wieder verschwunden war. Doch sie hatte kein Mitleid.
Es klopfte. Schnell wandte sich Anne vom Spiegel ab. Sie wollte nicht den Verdacht erwecken, dass sie sich eigens für Cosimo mit ihrem Aussehen besondere Mühe gegeben hatte. Sie räusperte sich, um ihrer Stimme einen klaren und selbstbewussten Klang zu verleihen.
»Herein!«
Matilda öffnete die Tür. »Signorina, verzeiht die Störung. Die ehrenwerte Signorina Giovanna de Pazzi bittet darum, Euch ihre Aufwartung machen zu dürfen.«
»Giovanna de Pazzi? Aber warum …« Anne war so überrascht, dass sie nicht sofort wusste, was sie sagen sollte. »Ich habe doch eigentlich …«
»Signorina, erlaubt mir bitte zu erwähnen, dass die Familie Medici und die Familie Pazzi in den letzten Jahren einander fremd geworden sind«, sagte Matilda. »Der Besuch eines Mitglieds dieser Familie – noch dazu ohne einen offiziellen Anlass – ist daher eine große Ehre und könnte durchaus dazu beitragen, die Beziehungen zwischen den beiden Familien zu verbessern. Der Besuch der ehrenwerten Giovanna de Pazzi bietet Euch somit die einmalige Gelegenheit, Giulianos Wohltätigkeit Euch gegenüber ein wenig zu vergelten. Ich bitte um Vergebung für meine Offenheit.«
Matilda knickste und neigte dabei den Kopf so tief, dass Anne ihr Gesicht nicht sehen konnte. Es war selten, dass die alte Magd unaufgefordert ihre eigene Meinung preisgab. Wenn sie sich nun zu dieser Ungehörigkeit hinreißen ließ, so tat sie das nur, um Giuliano vor Schaden zu bewahren. Sie musste ihm und der Familie Medici wirklich sehr ergeben sein.
»Also gut«, erwiderte Anne, obwohl sie nicht gerade begeistert war. »Führe sie zu mir herauf. Ein wenig meiner Zeit werde ich wohl für die Interessen der Familie Medici opfern können.«
Nur wenig später öffnete sich die Tür wieder, und eine Frau trat ein. Sie war in einen knöchellangen dunklen Mantel gehüllt, das Gesicht lag versteckt im Schatten der weiten Kapuze. Es war ohne Zweifel die Gestalt, die Anne von ihrem Fenster aus beobachtet hatte. Was konnte sie nur von ihr wollen? Diese Heimlichkeit passte auf gar keinen Fall zu einem der in Florenz üblichen Höflichkeitsbesuche.
»Du kannst gehen, Matilda«, sagte sie und wandte sich an ihre Besucherin. »Signorina Giovanna, ich heiße Euch herzlich willkommen. Euer Besuch ist mir eine Ehre.«
»Ich danke Euch, dass Ihr die Güte habt, mich zu empfangen«, erwiderte Giovanna mit einer leisen, atemlos klingenden Stimme.
Sie schob ihre Kapuze vom Kopf, und Anne hatte endlich die Gelegenheit, das Gesicht ihrer Besucherin zu betrachten. Es war ein schmales, bleiches Gesicht mit einem traurigen Zug um den Mund. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Schmale graue Strähnen zogen sich durch das lange glatte dunkle Haar. Sie sah irgendwie rührend aus. Anne erinnerte sie an eine auf dem Dachboden vergessene Madonna, deren einstige Schönheit unter Staub und Spinnweben verblasst war.
»Verzeiht mir mein ungebetenes Eindringen, doch ich muss Euch sprechen.«
»Wie ich bereits sagte, ich bin erfreut, Signorina Giovanna. Doch wollt Ihr nicht Euren Mantel ablegen und Euch setzen? Kann ich Euch etwas Tee anbieten oder …«
»Nein!« Es klang beinahe erschrocken, und ängstlich sah Giovanna über ihre Schulter, als würde sie fürchten verfolgt worden zu sein. »Nein. Ich … ich habe … ich bleibe nur kurz. Er darf es nicht merken.«
Anne holte tief Luft. »Und weshalb …«
»Ich muss Euch warnen, Signorina Anne. Er ist hinter Euch her, er verfolgt Euch, so wie er mich verfolgt.« Giovannas Augen irrten durch den Raum, als würde sie die Möbel nach versteckten Wanzen oder Kameras absuchen. »Er lässt mich nicht in Ruhe, er spioniert mir nach. Ich kann das Haus nicht verlassen. Ich darf niemanden treffen. Er befiehlt es mir, er kontrolliert jeden meiner Schritte, beherrscht sogar meine Träume. Und ich weiß jetzt, dass er mich vergiftet.«
»Ihr werdet vergiftet?«, fragte Anne ungläubig. Giovanna hatte so
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