Verschwörung in Florenz
hastig und leise gesprochen, dass sie nicht sicher war, ob sie auch wirklich richtig verstanden hatte.
»Ja. Ich wollte es zuerst auch nicht glauben, aber …« Giovanna holte einen Augenblick lang erschöpft Atem. »Ich habe sein Tagebuch gelesen. Dort steht alles geschrieben. Alles. Von dem Hexentrank, den er sich heimlich braut. Was er mit mir macht, wie er mich beobachtet, wie er mein Leben beherrscht. Und er schreibt auch von Euch, Signorina Anne, von Euch und …«
»Wessen Tagebuch habt Ihr gelesen? Und weiß er es?«
»Nein«, erwiderte Giovanna bestimmt und schüttelte den Kopf. »Wenn er es wüsste, wäre ich längst tot. Außerdem war ich vorsichtig. Ich habe mich heimlich in die Bibliothek geschlichen.« Ein listiges Lächeln glitt über ihr geisterhaftes Gesicht, das Anne einen Schauer über den Rücken jagte und sie endgültig am klaren Verstand ihrer Besucherin zweifeln ließ. Es war das Lächeln einer Wahnsinnigen. »Niemand traut es mir zu, doch ich kann sehr geschickt sein.«
»Und was schreibt er über mich?«, fragte Anne. Eigentlich sollte sie dieses Gespräch als das Geschwätz einer von ihrer Psychose gequälten Frau abtun. Vielleicht war Giovanna schizophren. Und doch konnte sie ein gewisses Grauen nicht abschütteln. Wenn Giovanna nun doch die Wahrheit sagte? »Er sagte, er würde …« Das Pochen des Türklopfers am Hauseingang drang dumpf zu ihnen herauf, und Giovanna zuckte zusammen. Mit angstvoll aufgerissenen Augen starrte sie zur Tür. »Was war das?«
»Die Haustür, Signorina Giovanna, nur die Haustür. Ich erwarte noch Besuch. Aber wo wart Ihr …«
Doch Giovanna schüttelte den Kopf. »Ich muss gehen. Ich bin schon viel zu lange geblieben. Viel zu lange.«
»Aber Ihr wolltet mir doch etwas erzählen. Bitte bleibt noch einen Augenblick. Was hat er über mich geschrieben. Und wer ist er?«
Doch Giovanna schien sie gar nicht zu hören. »Er darf nicht wissen, dass ich Euch besucht habe, niemals.« Sie sah sich im Raum um wie ein von Jägern gehetztes Reh. »Gibt es noch einen anderen Ausgang?«
»Nein, es gibt nur die Tür. Ihr seid hier sicher, Signorina Giovanna. Niemand wird Euch unter diesem Dach etwas tun.«
»Ihr kennt ihn nicht«, erwiderte Giovanna mit einer Stimme, die so bitter und so trostlos klang, dass Anne eiskalt wurde. Jetzt hörte sie sich keineswegs verrückt an, sondern eher wie eine Frau, die seit vielen Jahren Höllenqualen erleiden musste. Eine Frau, deren Worte man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. »Seid vorsichtig, Signorina Anne. Vertraut ihm nicht. Niemals. Lasst Euch von seinen Schmeicheleien nicht umgarnen. Er ist …«
»Ja zum Kuckuck, aber wer ist er?«
Anne rang vor Verzweiflung fast die Hände, doch Giovanna strebte bereits zur Tür. Sie hatte sie gerade erreicht, als es zum zweiten Mal klopfte. Matilda öffnete und ließ Cosimo de Medici an sich vorbei ins Zimmer treten.
Im selben Augenblick stieß Giovanna etwas aus, das wie ein Keuchen klang. Ihr Gesicht verlor auch den letzten Rest an Farbe. Dann, als wäre sie plötzlich wieder zum Leben erwacht, stülpte sie sich die Kapuze über den Kopf und verschwand wie ein Geist in der Dunkelheit. Anne schaute ihr verblüfft hinterher.
»Euer Besuch, Signorina«, sagte Matilda und warf der davonlaufenden Giovanna de Pazzi einen Blick voller Mitleid und Güte nach. Dann sah sie Cosimo an, und ihr Gesicht verhärtete sich. Ihre Augenbrauen waren streng zusammengezogen und ihr Mund so klein und spitz wie nur möglich. Die alte Magd sah aus, als hätte sie in eine besonders saure Zitrone gebissen. Es war offensichtlich, dass sie Cosimo nicht besonders schätzte, dass sie ihn für Giovannas überstürzten Aufbruch verantwortlich machte – und dass sie seinen Besuch im Gemach einer ehrenwerten Signorina keineswegs billigte. »Kann ich Euch …«
»Du kannst dich wieder entfernen, Matilda«, sagte Anne, immer noch ein wenig benommen. Sie wusste nicht, was sie von Giovannas Besuch und ihrem Benehmen halten sollte. »Ich werde dich rufen, sollte ich deine Dienste benötigen.«
»Wie Ihr wünscht, Signorina«, erwiderte Matilda knicksend, warf Cosimo noch einen frostigen Blick zu und schloss sachte die Tür hinter sich.
Anne wartete darauf, dass Cosimo näher kam. Doch statt sie zu begrüßen, wie es sicherlich auch im Florenz des 15. Jahrhunderts die Regeln der Höflichkeit erfordert hätten, blieb er in der Mitte des Raumes stehen und lauschte. Dann schlich er sich zur Tür und gab
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