Verschwörung in Florenz
sagte er leise, ohne den Blick von ihr zu wenden.
»Ihr vergesst Euch«, erwiderte sie. »Das finde ich …«
»Verdammt!«, rief er aus und ließ die Faust auf den Tisch sausen, sodass die Teetassen und die kleine Kanne in die Höhe sprangen und der kostbare schwarze Tee über den ganzen Tisch spritzte. »Antworte!«
»Ich habe Euch bereits geantwortet«, sagte Anne und beschloss, sich nicht von ihm einschüchtern zu lassen. Er war kein Raubtier. Er hatte weder Klauen noch scharfe Zähne. Zwischen ihr und ihm stand der Tisch, und hier im Raum gab es genügend Gegenstände, die sie ihm notfalls über den Schädel schlagen konnte. Außerdem begann er sie wütend zu machen. »Und wenn du die Wahrheit nicht hören willst, so solltest du auch keine Fragen stellen.«
»Aber wie soll ich Euch diesen Brief gegeben haben? Erklärt mir das. Ich habe Euch noch nie zuvor gesehen.«
»Ich sagte auch nicht, dass Ihr mir den Brief vor kurzem gegeben habt«, erwiderte Anne. »Ihr werdet ihn mir erst geben. In etwa …«, sie zog die Stirn kraus und rechnete nach, »… in etwas mehr als fünfhundert Jahren.«
Die Wirkung ihrer Worte war verblüffend. Schadenfroh sah sie zu, wie Cosimos Gesicht nun auch noch den letzten Rest Farbe verlor und seine Lippen eine blaue Tönung annahmen. Er sah aus wie ein Geist.
Geschieht dir recht, dachte sie. Trotzdem solltest du jetzt allmählich wieder atmen. Ich habe keine Lust, gleich auch noch Rettungssanitäter spielen zu müssen.
»In … fünfhundert … Jahren?«, keuchte er. »Aber wie …« »Ich arbeite für eine deutsche Zeitung und war aus beruflichen Gründen in Florenz. Da habe ich von Euch eine Einladung zu einem Maskenball erhalten. Ich war dort, im Palazzo Davanzati. Ich habe Euch getroffen. Das heißt, ich werde Euch treffen, und … Verzeiht mir meine Verwirrung, aber das, was meine Vergangenheit ist, ist Eure Zukunft und … Es ist alles furchtbar kompliziert.«
Er schüttelte langsam den Kopf und sah sie an, als würde er ihr am liebsten den Hals umdrehen.
»Aber das ist unmöglich!«
»Ja, das dachte ich auch, als ich Euch hier wiedertraf. Allerdings saht Ihr auf diesem Kostümfest etwas älter aus als jetzt. Wir haben uns unterhalten. Ihr sagtet, Ihr hättet schon lange auf diesen Tag gewartet. Und dann habt Ihr mir so ein merkwürdiges rotes Zeug zu trinken gegeben, dass …«
»Das Elixier der Ewigkeit!«, stieß er ungläubig hervor. »Ihr wisst von dem Elixier? Aber wieso … Und ich habe Euch davon trinken lassen?«
»Ja. Und nicht nur mich, sondern jeden Eurer etwa einhundert Gäste. Ich weiß nicht, wie sich die anderen anschließend gefühlt haben, mir jedenfalls wurde danach ganz seltsam zumute. Ich bekam einen Migräneanfall, schlief in einem kleinen Zimmer ein, und als ich aufwachte, war ich hier .« Sie hob die Hände und deutete um sich. »Im Jahre des Herrn 1477. Und jetzt wüsste ich gern von Euch , wozu das Ganze gut sein soll.«
Doch Cosimo antwortete nicht. Er schüttelte nur immer wieder den Kopf, als könnte er nicht glauben, was er soeben gehört hatte.
»Ihr wisst von dem Elixier der Ewigkeit. Und ich soll es Euch zu trinken gegeben haben? Das kann nicht sein. Ihr …«
»Ihr wollt schon wieder behaupten, dass ich lüge?« Jetzt wurde Anne richtig wütend. Sie sprang vom Stuhl auf. »Gut, dann werde ich es Euch beweisen«, sagte sie und ging zu der Kommode, in der sie den Seidenbeutel aufbewahrte. Sie riss ihn aus der Lade heraus, öffnete ihn und streute den Inhalt auf den Tisch. Cosimos Augen wurden immer größer. Er starrte die Gegenstände an, als hätten sie sich in ekelhafte dicke Spinnen verwandelt, die alle auf ihn zukrabbeln wollten. »Das ist ein Feuerzeug. Leider ist es leer, sonst könnte ich Euch zeigen, wie es funktioniert. Das hier ist ein Lippenstift. Damit schminken sich die Frauen im 21. Jahrhundert ihre Lippen. Das hier …«, sie klopfte auf den Brief, »… ist die Einladung. Unterzeichnet von Cosimo Mecidea. Ich nehme an, dass Ihr Euch den Namen zugelegt habt, um zu vertuschen, dass Ihr ein seit über fünfhundert Jahren auf der Erde umherwandelnder Spross der Familie Medici seid. Ah, und das in der zerknautschten Schachtel sind Zigaretten. Tabak wird man hier in Europa erst in vielen Jahren bekommen können. Es gibt nämlich auf der anderen Seite des Ozeans noch einen anderen Kontinent, der Amerika genannt wird. Ein Mann namens Kolumbus wird in ein paar Jahren …«
»Hört auf, hört auf, hört auf!«, schrie
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