Verschwörung in Florenz
Wirkungen des Elixiers aufhebt.
Doch nicht einmal dieser Gedanke konnte ihm Trost spenden. Was er in Wirklichkeit suchte, war die Absolution. Und die würde ihm wohl auf dieser Welt niemand erteilen, nicht einmal in fünfhundert Jahren.
Lorenzos Fest
Anne legte sich die Kette mit dem tropfenförmigen Granat um den Hals und betrachtete sich im Spiegel. Mit ihrem Äußeren konnte sie durchaus zufrieden sein. Ihre Haut war glatt und rosig, sogar ohne Makeup. Ihr Haar lag gescheitelt und glatt gekämmt am Kopf und glänzte wie eine polierte Haselnuss. Dass sie hier keine modernen Pflegemittel zur Verfügung hatte, schien ihm keineswegs zu schaden. Im Gegenteil. Abgesehen davon, dass ihre gefärbten Strähnen allmählich herauszuwachsen begannen, war sie noch nie zuvor so zufrieden mit ihrem Haar gewesen. Wegen des besonderen Anlasses an diesem Abend hatte sie sich zwei Zöpfe geflochten, die sie an den Seiten mit Hilfe von granatbesetzten Haarspangen zu Schnecken gedreht und festgesteckt hatte. Das dunkelblaue Kleid saß wie angegossen – was kein Wunder war, denn schließlich war es maßgeschneidert – und passte perfekt zum Farbton ihrer Augen. Sie sah aus, wie eine Frau aus einer reichen florentinischen Kaufmannsfamilie gegen Ende des 15. Jahrhunderts auszusehen hatte. Eine hübsche Frau, denn die bewundernden Blicke aller Männer, mit denen Giuliano sie bislang bekannt gemacht hatte, waren ihr nicht entgangen. Sie konnte also zufrieden sein. Wenigstens mit ihrem Aussehen. Was das andere anging … Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und wandte sich von ihrem Spiegelbild ab. Es waren mittlerweile wieder zwei Wochen verstrichen, ohne dass sie auch nur einen Schritt weitergekommen war. Cosimo hatte ihr wahrlich genug Hinweise gegeben, denen sie hätte nachgehen können, aber sie hatte es nicht getan. Ein- oder zweimal hatte sie einen eher halbherzigen Versuch unternommen, einen der Dienstboten nach Gerüchten oder alten Legenden über dieses Elixier zu fragen, doch man hatte sie nur verständnislos angesehen. Natürlich hätte sie in eine Bibliothek gehen können, um dort zu recherchieren. Giuliano selbst verfügte über eine stattliche Anzahl an Büchern, und wenn sie freundlich gefragt hätte, hätte ihr vermutlich sogar Lorenzo den Zugang zu seiner umfangreichen Sammlung an Schriften und Büchern aus allen Teilen der Welt gestattet. Doch sie fragte nicht. Niemanden. Nicht einmal Giuliano. Aus den verschiedensten Gründen. Mal waren sie bei einem seiner zahlreichen Verwandten eingeladen, oder Gäste kamen zu ihnen, und sie war keine Minute allein und fand daher nicht die Ruhe, sich mit den Büchern zu beschäftigen. Dann wieder kam der Schneider, und sie musste sich um die Auswahl von Kleiderstoffen, Schmuckbändern und Schnittmustern kümmern, ausharren zum Abmessen und Abstecken, und fand einfach keine Zeit. Oder Giuliano lenkte sie mit seinen Zärtlichkeiten ab, und sie genoss das Zusammensein mit ihm so sehr, dass sie darüber alles andere vergaß – sogar die Tatsache, dass er am 26. April des kommenden Jahres sterben würde, sofern sie nichts unternahm. Sie war wie gelähmt. Sie verdrängte jeden Gedanken an die schrecklichen Ereignisse, die im kommenden April ganz Florenz erschüttern würden, schloss die Augen vor der Wahrheit wie ein kleines Kind, dass sich die Augen zuhält und glaubt, niemand könne es mehr sehen. Dabei zerrann ihr die Zeit zwischen den Fingern. Jetzt neigte sich schon der November seinem Ende entgegen. Sie hatte nur noch fünf Monate Zeit. Nur noch fünf Monate …
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Und noch ehe sie etwas sagen konnte, hatte sie sich auch schon geöffnet, und Giuliano trat ein.
»Störe ich?«, fragte er freundlich und kam mit einem Lächeln auf sie zu.
»Nein«, antwortete Anne. »Aber ich bin noch nicht ganz fertig. Ich muss noch …«
Giuliano trat nahe an sie heran und streichelte sanft ihr Gesicht.
»Es ist alles perfekt, Anne«, sagte er leise und küsste sie. »Du bist wunderschön. Nicht nur in meinen Augen. Jeder auf dem Fest meines Bruders wird sich meiner Meinung anschließen.«
»Gut, aber ich wollte noch …«
»Lass uns jetzt gehen«, unterbrach Giuliano sie, nahm sie bei der Hand und zog sie sanft zur Tür. »Lorenzo erwartet uns etwas früher als die anderen Gäste. Und er wartet nicht gern.«
Anne ließ sich überreden und folgte Giuliano. In der Halle standen bereits Enrico und Matilda mit ihren Reiseumhängen und einem
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