Verschwörung in Florenz
Pazzi?«, erkundigte sich Anne, und ihr Herz schlug ein paar Takte schneller. Wenn die Familie Pazzi auch zum Fest eingeladen war, würde sie wahrscheinlich Giovanna wiedersehen. Mit ein bisschen Glück würde die arme Frau heute den Mut finden, ihr mehr zu erzählen. Und vielleicht würde sie sogar jenem Mitglied der Familie begegnen, das für die Verschwörung verantwortlich war, in deren Verlauf Giuliano ermordet werden würde.
»Ja, auch die Pazzi. Früher waren sie oft bei uns, und wir haben sie besucht. Unsere Familien waren miteinander befreundet. Wir wickelten viele Geschäfte gemeinsam ab. Aber vor einigen Jahren war damit plötzlich Schluss. Es begann ganz harmlos. Sie luden uns einfach nicht zu der von ihnen alljährlich veranstalteten Herbstjagd ein. Sie entschuldigten sich in einem Brief und behaupteten, es handle sich um ein Versehen. Doch in den darauf folgenden Wochen und Monaten distanzierten sie sich immer mehr. Und schließlich wollten sie nicht einmal mehr zu denselben Zeiten wie wir die heilige Messe besuchen.« Er runzelte die Stirn und schüttelte betrübt den Kopf. »Ich glaube, niemand weiß genau, welche Ursache der Groll hat, den die Pazzi seit einigen Jahren gegen uns hegen.« Er zog die Schultern zusammen, als wäre ihm plötzlich kalt geworden.
»Die Pazzi werden also auch heute Abend dabei sein?«
»Ja, die ganze Familie. Sie haben erst vor wenigen Tagen per Boten zugesagt. Ich bin schon gespannt, was Cosimo sagen wird, wenn er Giacomo wieder gegenübersteht. Die beiden gehen einander aus dem Weg wie Sommer und Winter. Ich hörte Giacomo sogar einmal sagen, dass er in Erwägung ziehe, Florenz für immer zu verlassen, da die Stadt für ihn und Cosimo zu klein sei. Sie sind Erzfeinde, die nur Sitte und Erziehung daran hindert, einander umzubringen. Dabei waren sie einst unzertrennliche Freunde.«
Anne erschauerte. Das war mehr als nur Abneigung, das war Hass.
»Aber lass uns über fröhlichere Dinge reden«, sagte Giuliano, setzte ein unbeschwertes Lächeln auf, legte Anne einen Arm um die Schultern und zog sie näher zu sich heran. »Wir werden eine Weile unterwegs sein, zu zweit eingepfercht in dieser Kutsche, ohne einen Menschen, der uns anstarrt …«
»Das klingt, als würdest du es als Last empfinden. Hätte ich das gewusst, hätte ich Matilda gebeten, uns zu begleiten.«
Giuliano lachte. »Ich wollte nur sagen, dass wir diese Zeit nutzen sollten.«
Anne erwiderte lächelnd seinen Kuss und schmiegte sich an ihn. Sie begannen über alle möglichen Leute Witze zu machen. Doch sie spürte, dass Giuliano unter seiner Fröhlichkeit tieftraurig war. Er war ein gutmütiger, harmonieliebender Mensch. Er wollte nichts mehr auf der Welt, als dass alle Menschen miteinander gut auskamen und sich mit Würde und Respekt behandelten. Der Hass der Pazzi traf ihn, auch wenn er nicht direkt gegen ihn gerichtet war, bis ins Mark.
Dieser Hass wird dich umbringen, dachte Anne und legte ihren Kopf auf seine Brust. Sie werden dich umbringen. Und ich weiß immer noch nicht, ob ich etwas dagegen tun kann.
Heute Abend würde sie zum ersten Mal allen Mitgliedern der Familie Pazzi begegnen. Selbst wenn es ihr nicht gelingen würde, den Lauf der Geschichte zu verändern – sie konnte wenigstens die Augen offen halten. Das würde bestimmt niemandem schaden. Und vielleicht ergab sich ja doch eine Chance, eine Gelegenheit, etwas zu tun, um die drohenden Ereignisse abzuwenden. Vielleicht hatte Cosimo in den fünfhundert Jahren seines Lebens ja herausgefunden, dass es gar nicht der Wille des Schicksals gewesen war, Giuliano so früh sterben zu lassen. Vielleicht hatte die Vorsehung einen Fehler gemacht, damals am 26. April 1478. Vielleicht hätte der Tod jemand anderen treffen sollen. Es war unwahrscheinlich, aber trotzdem bestand Hoffnung, eine winzig kleine, verschwindend geringe Hoffnung, an der sie sich festklammern musste. Sie schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander, um nicht zu weinen.
Etwa zwei Stunden später hielt die Kutsche endlich an. Es war mittlerweile stockdunkel, doch der Hof des Landsitzes der Familie Medici war von hunderten von Fackeln so hell erleuchtet, dass die Dunkelheit kaum mehr auffiel. Die Tür zum Haus öffnete sich, und zwei Diener kamen herbeigelaufen, die Anne und Giuliano begrüßten und ihnen beim Hinabsteigen der wackligen Leiter behilflich waren. Trotz der warmem Decken und der im Vergleich zu den anderen Kutschen überaus bequemen Polsterung war Anne
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