Verschwörung in Florenz
Ochsenbraten frei bleiben.« Der Diener zuckte sichtlich erschrocken zusammen und stellte die Schüssel rasch an einen anderen Ort. Giuliano schüttelte den Kopf.
»Clarice hat Recht, die Diener laufen heute herum wie eine Schar dummer Hühner, in deren Stall ein Habicht eingebrochen ist. Dabei sind sie für gewöhnlich recht brauchbar.« Er klatschte ein paarmal in die Hände und stampfte kräftig mit dem Fuß auf. »Bewegt euch!«, rief er drei Dienern zu, die Sitzkissen auf den in der Nähe der Fenster stehenden Hockern verteilten. »Die ersten Gäste werden bald eintreffen, und ihr seid immer noch nicht fertig.«
Anne sah Giuliano wehmütig nach, der davoneilte und einem Diener befahl, einige der Kerzen auszuwechseln, die schon halb heruntergebrannt waren. Bald würde er nicht mehr die Gelegenheit haben, sich um solche Dinge zu kümmern. Bald würde er tot sein.
Sie schüttelte sich und straffte die Schultern, um diese trüben, lähmenden Gedanken loszuwerden. Die Familie Pazzi würde heute Abend auch anwesend sein. Sie konnte sie kennen lernen, eventuell sogar mit ihnen sprechen. Und vielleicht ergaben sich dadurch neue Möglichkeiten. Möglichkeiten, die sie in die Lage versetzen würden, den Lauf der Geschichte ein wenig zu korrigieren.
Anne fühlte sich überflüssig. Während Giuliano mit der Leidenschaft eines Gastgebers kreuz und quer durch den Saal lief und seine Augen überall zu haben schien, streifte sie ziellos durch den Raum. Sie betrachtete die vielfältigen Speisen, bewunderte einen Wandteppich mit einer Jagdszene und lauschte hier und dort den Unterhaltungen der Diener, die sich über das Mehr an Arbeit und Giulianos Perfektionismus beschwerten oder sich gegenseitig von den körperlichen Reizen einiger Mägde vorschwärmten.
Die Menschen würden sich wohl nie ändern. Die äußeren Umstände wandelten sich – Technologien, Erfindungen und Entdeckungen, Wissenschaft, Mode. Das alles unterlag ständiger Veränderung, Fortschritt. Aber der Mensch blieb der, der er auch schon vor tausend Jahren gewesen war. Die Diener hätten anstelle ihrer Livree ebenso gut die viel zu großen Hosen der Hip-Hop-Kultur oder die Kleidung alt-ägyptischer Sklaven tragen können. An dem Inhalt ihrer Unterhaltung hätte sich dadurch wohl kaum etwas geändert.
Enttäuscht wandte Anne sich ab. Sie wusste selbst nicht, warum diese harmlosen Unterhaltungen sie so melancholisch stimmten.
»Es freut mich, Euch zu sehen«, erklang plötzlich in ihrem Rücken eine raue Stimme.
Anne fuhr herum und stand Cosimo de Medici gegenüber, der sie mit einem spöttischen Lächeln musterte. Von der Nervosität und der Angst, die ihn bei ihrer letzten Begegnung so heftig gepackt hatte, dass er förmlich vor ihr geflohen war, war jetzt nichts zu merken. Er war wie ausgewechselt, ein anderer Mensch als jener, der sie vor wenigen Tagen besucht hatte. War er krank? Stand er unter Drogen? Oder hatte er wieder von seinem rätselhaften Elixier getrunken?
»Euer grenzenloses Entzücken ehrt mich, Signorina Anne. So viel überschwängliche Wiedersehensfreude habe ich nun wahrhaftig nicht erwartet.«
Anne spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
»Ich wollte …«
Doch Cosimo schnitt ihr einfach mit einer lässigen Geste das Wort ab.
»Gebt Euch keine Mühe, Eure Überraschung zu verbergen, Signorina Anne«, sagte er. »Ihr steht damit an diesem Abend gewiss nicht allein. Gleichwohl, auch ich bin ein Glied dieses alten, vornehmen, erlauchten, die Geschicke der Stadt Florenz lenkenden Geschlechts. Und sosehr sich auch viele meiner Verwandten den Tag meiner Geburt ins Land der Träume wünschen mögen oder doch wenigstens den Umstand einer Verwandtschaft mit mir zu leugnen versuchen – Lorenzo weiß, was sich gehört. Er hat sich überwunden und auch mir eine Einladung zukommen lassen, vielleicht in der Hoffnung, ich könnte ablehnen. Aber …«, ein Lächeln huschte über sein Gesicht, »… ich stehe nicht in dem Ruf, ein Wohltäter der Menschheit zu sein.«
»Cosimo!« Giuliano war rasch näher gekommen. Er stellte sich dicht neben Anne und legte ihr einen Arm um die Schultern, als wollte er sie beschützen. Oder seinem Vetter zeigen, zu wem sie gehörte. Seine Stimme klang eisig. »Ich traue meinen Augen kaum. Du bist also wirklich gekommen.«
»Auch dir danke ich für die überaus herzliche Begrüßung«, erwiderte Cosimo mit einer spöttischen Verbeugung. »Was mein Kommen betrifft, so kann ich mir doch dieses historische
Weitere Kostenlose Bücher