Verschwörung in Florenz
Ereignis, diese epochale Sensation, welche das Schicksal dieser Stadt, ach, was sage ich, das Antlitz der Welt über Jahre hinaus lenken und verändern wird, nicht entgehen lassen.«
Der Druck von Giulianos Hand auf Annes Schulter wurde stärker. Doch bevor er etwas entgegnen konnte, sprach Cosimo schon weiter.
»Nebenbei sollte dir, mein lieber Vetter, bekannt sein, wie sehr ich die Kunst im Allgemeinen und die Malerei im Besonderen liebe. Ich gebe zwar offen zu, dass Sandro Botticelli nicht gerade zu jenen Malern gehört, mit deren Gemälden ich mein eigenes Heim schmücken würde. Er ist zu …«, er schnalzte mit der Zunge auf der Suche nach dem ihm geeignet scheinenden Wort, »… alltäglich, gewöhnlich, eben zu konventionell. Dennoch bin ich natürlich – wie vermutlich jeder hier – begierig, sein neuestes Werk zu begutachten. Übrigens …« Er deutete an Giulianos Schulter vorbei zum Eingang des Saales. »Es scheint, dass der Ochsenbraten just hereingetragen wird. Jemand mit Verstand, Einfluss und Kultur sollte diesen bedeutsamen Akt, der wesentlich über das Gelingen des heutigen Abends entscheiden wird, überwachen.«
Giuliano sah mit gerunzelter Stirn den Dienern entgegen, vier kräftigen Burschen, die unter Ächzen und Stöhnen eine riesige Platte hereintrugen. Er warf Anne einen fragenden Blick zu, als wollte er sich vergewissern, dass er sie wirklich einen Moment mit seinem Vetter allein lassen konnte. Sie nickte ihm aufmunternd zu. Cosimo war keine Bestie, auch wenn er sich ganz offensichtlich in der Rolle des Bad Boy gefiel. Sie würde schon allein mit ihm fertig werden. Giuliano sah sie noch einmal zweifelnd an, dann murmelte er eine Entschuldigung und hastete den Dienern entgegen.
Cosimo stieß einen übertriebenen Seufzer aus.
»Da eilt er dahin, der Schöne, der Liebreizende, das Kleinod des Volkes von Florenz. Weshalb nur verschmäht er mich? Weshalb ernte ich nur Zorn und Verachtung? Einst hat er mich regelmäßig zu sich geladen. Wir haben über Kunst und Philosophie gestritten und gemeinsam getrunken. Aber das war, bevor Ihr in sein Leben getreten seid, Signorina Anne.«
Anne warf ihm einen überraschten Blick zu. Aus seiner Stimme meinte sie echtes Bedauern, vielleicht sogar Traurigkeit herauszuhören. Und plötzlich fragte sie sich, ob er unter der Rolle des schwarzen Schafes der Familie mehr litt, als er zugeben wollte.
»Was ist mit Euch, Signorina Anne? Etwas scheint Euch zu bekümmern.«
»Es ist nichts. Ich frage mich nur …« Sie wich dem forschenden Blick seiner dunklen Augen aus und schüttelte den Kopf, weil sie nicht gleich die richtigen Worte fand. »Warum tut Ihr das? Weshalb seid Ihr so …«
»Böse, schlecht, abstoßend, verrucht, gottlos?« Er lachte. Es war ein Lachen, bei dem es Anne eiskalt den Rücken hinunterlief. »Ich weiß wohl, dass Ihr noch nicht lange in dieser Stadt weilt. Dennoch verwundert es mich, dass Euch wahrhaftig noch nicht zu Ohren gekommen sein soll, was man sich über mich erzählt. Ich sei besessen, so heißt es. Meine Mutter sei von Dämonen heimgesucht worden, während sie mich unter ihrem Herzen trug. Ich bin ein Gottloser, ein Verdammter, der Schandfleck von Florenz, die Prüfung aller Gläubigen. Fragt nur die Diener in diesem Hause oder die Kutscher auf den Straßen der Stadt. Sie werden Euch meine Worte bestätigen.«
Anne sah ihn lange an.
»Diese Leute haben Unrecht. Ihr seid weder besessen noch verdammt. Ihr seid nur ein Mann, der sich in der Rolle des Schurken gefällt. Ihr glaubt, weil Ihr vor einiger Zeit dieses Elixier entdeckt habt, steht Ihr über den gewöhnlichen Menschen, über jenen, die sich noch an Konventionen halten, für die Sitte, Anstand, Regeln und Höflichkeit mehr als nur leere Worte sind. Ihr glaubt, mit diesem Elixier hättet Ihr gleichzeitig die Weisheit zu Euch genommen, und diese Weisheit gestattet es Euch, alles mit Füßen zu treten, was für andere, im Vergleich zu Euch natürlich unbedeutenden Menschen, zählt, was ihnen wichtig ist. Selbstverständlich erfüllt Eure Arroganz, Euer grenzenloser Sarkasmus und Eure Bosheit ihren Zweck. Die Diener fürchten Euch, die vornehmen Bürger der Stadt meiden Euch, und Eure Verwandten hassen Euch. Doch mich erschreckt Ihr nicht. Bedenkt stets, woher ich komme. Um mich zu beeindrucken, bedarf es weitaus mehr als eines eingebildeten, exzentrischen, launenhaften Gecken, dessen größtes Vergnügen es ist, andere Leute zu beleidigen, und der dahinter doch
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