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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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vor Wut. Das Wort »Geliebte« hatte etwas Unmoralisches, Anstößiges an sich. Und um sie noch weiter zu demütigen, deutete Clarice auch noch an, dass die Beziehung zwischen Anne und Giuliano jeder gesellschaftlichen Grundlage entbehrte. Doch bevor sie etwas Passendes entgegnen konnte, trat Lorenzo auf sie zu.
    »Herzlich willkommen, Anne«, sagte er und legte seine kräftigen Hände auf ihre Schultern. Er gab ihr einen väterlichen Kuss auf die Wange und flüsterte: »Höre nicht auf Clarice. Sie hat bereits einen Blick auf Botticellis Gemälde geworfen, und der Neid auf deine Schönheit macht sie heute besonders giftig.«
    Er lächelte und trat einen Schritt zurück. Im Gegensatz zu Clarice, deren Gegenwart Anne stets das Gefühl gab, sich für alles, was sie tat, sagte oder war, verteidigen zu müssen, ging von Lorenzo ein Gefühl der Wärme aus. Man musste ihn einfach gern haben. Er sah zwar nicht einmal halb so gut aus wie sein jüngerer Bruder Giuliano – in der Tat hatte Anne sich schon oft gefragt, ob der Bildhauer Lorenzo de Medici in seiner berühmten Büste nicht absichtlich schöner dargestellt hatte –, aber er verfügte über den Charme und den Humor eines wahrhaft großen Mannes. Ganz gleich, mit wem er sprach, ob es nun ein Diener oder ein Geschäftspartner war, er gab jedem das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein. Selten verlor er die Geduld. Und seine Großzügigkeit war in der Tat legendär. Anne war sicher, wenn sie zu Lorenzo gehen und ihn bitten würde, sie in einer Kutsche nach Mailand zu fahren, er würde es tun.
    »Meine liebe Clarice hat Recht, wir benötigen eure Hilfe«, sagte er und lächelte breit. »In etwa einer Stunde werden die ersten Gäste eintreffen, und ich möchte euch bitten, darauf zu achten, dass im Festsaal alles bereit ist, während Clarice die Küche überwacht und ich mich um die Ankunft der Kutschen der Gäste kümmere.«
    Giuliano lachte und rieb sich dabei vor lauter Vorfreude die Hände.
    »Gern, mein Bruder, du weißt, ich liebe es, Feste zu feiern.« Er nahm Anne am Arm und führte sie zum Saal. »Komm, meine Geliebte!«, sagte er und zwinkerte ihr zu. »Wer noch nie mit einem Medici gefeiert hat, der weiß auch nicht, was Feiern eigentlich bedeutet.«
    Der Festsaal war eine Augenweide. Zwei etwa mannshohe Kronleuchter, jeder mit hunderten von Kerzen bestückt, hingen von der Decke herab und tauchten den Saal in ein goldenes Licht. Überall in den Fensternischen und auf niedrigen Tischen standen weitere Armleuchter. Auf einem Tisch, der fast die ganze den Fenstern gegenüberliegende Längsseite des Raumes einnahm, waren die Speisen arrangiert. Und obwohl das Holz bereits unter dem Gewicht der Fleischbällchen, gebratenen Gänse, Hühner, Enten, Fasane und Ferkel ächzte, trugen Diener immer noch weitere Speisen herbei. Etwa ein Dutzend Musiker in der grellbunten Kleidung der Gaukler richteten sich in einer Ecke des Saales ein. Und nur wenig später wurde das Getrappel der geschäftig hin und her eilenden Diener übertönt von den Klängen ihrer seltsamen Instrumente, die Anne kaum bekannter vorkamen als die der Buschmänner. Offensichtlich mussten die merkwürdig geformten Leiern, Flöten, Pfeifen und Trommeln noch gestimmt werden. Und doch mischten sich zwischen die schrägen Klänge, die entfernt an das Stimmen von Geigen und Gitarren in einer Schulklasse voller unmusikalischer Kinder erinnerten, immer wieder Bruchstücke von fröhlichen, lebendigen Melodien.
    Während Giuliano den Dienern Anweisungen gab, wohin sie die Schüsseln mit gekochtem Gemüse und Weizengrütze stellen sollten oder wo noch ein Armleuchter fehlte, schweiften Annes Blicke ständig zu der Stirnseite des Raumes. Dort, unübersehbar über dem großen Kamin, hing es – das Gemälde, Botticellis Meisterwerk, die Geburt der Venus . Noch war es mit einem riesigen weißen Tuch verhüllt und nicht mehr als ein weißer Fleck an der ockerfarben getünchten Wand. Und doch wurden ihre Hände vor Aufregung feucht, wenn sie daran dachte, was sich hinter dem weißen Laken verbarg. Ihr Mund wurde trocken bei dem Gedanken, dass sie an diesem Abend zu den ersten Männern und Frauen gehören würde, die dieses Gemälde betrachten konnten. Es war unglaublich, unvorstellbar, fantastisch …
    »Nein, nicht doch!«, rief Giuliano in diesem Augenblick und riss Anne aus ihren Gedanken. »Du Trottel von einem Lakai! Bist du denn närrisch geworden, die Schüssel dort abzustellen? Dieser Platz muss für den

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