Verschwörungsmelange
Solltest du Heimweh nach
unserer Wohnung bekommen; es sind ein paar Sachen im Kühlschrank. Du wirst also
nicht verhungern.«
»Wo gehst du denn hin?«
»Das geht dich nichts an.«
»Betty, ich denke, wir müssen einmal miteinander über alles
reden.« Seine Stimme klang belegt und unsicher. Sie hatte ihre Weichheit und
den melodischen Klang verloren.
»Ich möchte aber nicht mit dir darüber reden.«
»Dann tu mir bitte einen Gefallen. Joe Brown hat uns für
Mittwoch Abend zum Essen eingeladen. Bitte nimm dir diesen Abend für mich frei.
Es ist ungeheuer wichtig für mich. Er steht so auf intakte Familien.«
»Welchen Grund hätte ich, ausgerechnet jetzt diesem Brown
eine intakte Familie vorzugaukeln?«
»Tu es mir zuliebe. Bitte!«
»Ich denke, du willst bloß gewisse Dinge verdrängen, weil sie
dir nicht in deinen Kram passen. Ich werde diese Woche die Scheidung
einreichen, und das ist mein Ernst, egal, ob du einwilligst oder nicht.«
Abwartend, möglichst unschuldig klingend fragte er: »Warum?«
»Wolfgang, ich will dir das jetzt nicht wieder alles am
Telefon auseinandersetzen. Du hast dich verändert, du kümmerst dich nicht mehr
um mich. Du hast dich still und heimlich in eine kleine Wohnung eingemietet,
von der ich erst unlängst erfahren habe. Du bleibst oft nächtelang fort. Ich
weiß nicht mehr, wann du kommst und gehst. Genügt dir das?«
»Ich habe dir schon gesagt, ich habe jetzt viel zu
tun. Es geht um meine berufliche Zukunft. Es ist eine schwierige Zeit für mich.
Ich wollte dich mit all dem nicht belasten.«
»Und wann sehe ich wieder einmal Geld für unseren Unterhalt von
dir?«
Geld! Als er das Wort hörte, spürte Ehrentraut
sofort ein unangenehmes Kribbeln auf seiner Haut. Geld war etwas, das nicht
lange bei ihm blieb. Geld bereitete ihm Sorgen. »Ich denke, ich habe dir doch
vorige Woche …«
Sie unterbrach ihn sofort. »Gar nichts hast du. Nicht einmal
mehr darauf kann ich mich noch verlassen. Mein Sparbuch muss ich angreifen,
wenn ich etwas brauche. Nein, nein, ich will die Scheidung, und damit basta.
Wenn du vernünftig bist, stimmst du zu.«
Er erinnerte sich daran, wie sie früher sein Geld mit vollen
Händen ausgegeben hatte. Eine Scheidung würde teuer werden. Betty würde alles
nehmen, was sie kriegen konnte. »Welcher Mann steckt denn dahinter?«, fragte
er.
»Offensichtlich muss immer ein anderer dahinterstecken, sonst
glaubt ihr Männer es nicht. Aber ich kann dich beruhigen: Es gibt keinen
anderen. Noch nicht. Es hat also keinen Sinn, wenn du ständig diesen Detektiv,
oder was für ein Kerl das auch immer ist, hinter mir herrennen lässt.«
»Hör mal, wegen Mittwoch …«
»Du wirst am Mittwoch mit deinem Herrn Brown allein essen
gehen müssen. Und versuche nicht immer abzulenken. Du hast dich verändert,
Wolfgang. Du bist nicht mehr der, der du warst. Ich bedeute dir nichts mehr,
auch wenn du es nicht zugibst. Und mir ist es völlig egal, wer oder was bei dir
dahintersteckt. Ich mache jetzt einfach Schluss, ob es dir recht ist oder
nicht.«
Damit stand es 1:0 für Bettina Ehrentraut. Sie hatte eiskalt
eingenetzt und beendete das Gespräch sofort nach diesem Treffer, nahm ihrem
Gatten damit jede Chance auf den Ausgleich.
Wolfgang Ehrentraut steckte gedankenverloren sein Handy ein.
Eine Scheidung war das Letzte, was er in seiner jetzigen Situation brauchen
konnte. Aber was sollte er tun?
Als er so dastand und sich einiges in seinem Kopf bewegte,
fiel ihm das große Loch in dem Maschendrahtzaun auf, der den Platz nach draußen
zu einem Fußweg hin begrenzte, welcher von der Straße abzweigte und zu einer
Tennisanlage führte. Das Loch war so groß, dass ein ausgewachsener Mann in
gebückter Haltung leicht ein und aus gehen konnte. Wer das wohl wieder getan
haben mochte? Handelte es sich um eine der angekündigten ›Aktionen‹
aufgebrachter Eintracht-Anhänger? Ehrentraut schüttelte verärgert den Kopf. Bis
zum Spiel am Sonntag musste das repariert werden, sonst gab’s womöglich
Schwierigkeiten mit Gratisblitzern.
Er ging zurück in Richtung Kantine, um das Gespräch mit
seiner Frau bei einer Flasche Bier zu verdauen. Das Loch im Zaun hatte er schon
nach einigen Schritten wieder vergessen.
*
Ehrentraut nahm sich nicht die Zeit, das Bier in
ein Glas zu schenken, sondern trank hastig aus der Flasche. Bertl Posch, der
Kantinenwirt, spielte mit dem Messer, mit dem er gerade vorhin ein paar
Scheiben
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