Verschwörungsmelange
in der Schule, aber wenn man mir etwas beigebracht hat,
dann war es, wie wichtig sich die Lehrer allesamt nehmen. Überall verfolgen sie
einen hin, sogar auf den Fußballplatz. Und dass in einem Kind andere Talente
schlummern als die ständige Auswendiglernerei oder irgendwelchen Blödsinn zu
schreiben, das sehen sie nicht ein.«
»Sie könnten sich ruhig ein wenig mehr für die schulische
Laufbahn Ihres Sohnes interessieren«, entfuhr es Korber. Er merkte sofort, dass
er damit komplett falsch reagiert hatte.
»Sind Sie etwa gekommen,
um mir eine Predigt zu halten, welche Bedeutung die Schule für junge Menschen
hat?«, wurde Stary auch gleich merklich lauter. »Die beste Schule ist das
Leben, merken Sie sich das. Dort muss man sich durchsetzen, nicht in einer
miefigen Klasse, wo man den ganzen Tag weltfremde Dinge hört. Das Fußballspielen
kann Reinhard weiter bringen als die ganze sinnlose Lernerei, die behindert ihn
nur. Sobald er seine Schulpflicht abgeschlossen hat, werde ich diese unnötige
Qual für ihn auch beenden, machen Sie sich keine Sorgen.«
»Warum lassen Sie das nicht Reinhard selbst entscheiden? Und
tun ein bisschen mehr dafür, dass er jetzt die Klasse schafft? Er ist ja
schließlich Ihr Kind.« Korber wusste, dass er sich zu weit nach vor gewagt
hatte. Aber was sollte er tun? Er war innerlich aufgewühlt und empfand eine
tiefe, ohnmächtige Wut gegenüber dem ungehobelten Kerl, der ihm gegenüberstand,
und der mit aller Macht andere beherrschen wollte, zumindest die Mitglieder
seiner Familie.
»Wer schickt Sie? Die Schule? Oder vielleicht gar
meine Frau?« Hämisch grinsend schaute Stary Korber von oben bis unten an. »Na,
wie auch immer. In jedem Fall brauche ich mir eine solche Einmischung in meine
Privatangelegenheiten nicht gefallen zu lassen, lieber Herr … Professor, oder?
Sie unterrichten Reinhard nicht, wie Sie selbst gesagt haben. Also geht Sie das
Ganze nichts an. Verschwinden Sie, aber schleunigst. Und merken Sie sich: Ich
möchte Sie in Zukunft nicht in der Nähe meines Sohnes oder meiner Frau sehen,
sonst setzt’s was, verstanden?«
Damit wandte er sich ab, ging ein paar Schritte, ehe er sich
noch einmal zurückdrehte, um nachzusehen, wie Korber darauf reagieren würde.
Der bewegte sich ein wenig widerwillig mit Leopold, der ihn recht bestimmt beim
Arm packte, Richtung Kantine.
»Kannst du mir sagen, was das jetzt für einen Sinn gehabt
hat?«, fragte Leopold.
»Tut mir leid. Es ist einfach über mich gekommen. Ich kann so
eine proletenhafte Art nicht vertragen«, antwortete Korber.
»Aber, aber. Ich dachte, als Lehrer ist man über solche Dinge
erhaben.«
»Ich jedenfalls nicht. Und immerhin geht es um die Zukunft
eines jungen Menschen.«
»Ja, ja, bilde dir das nur ein. Weißt du etwa, was der Bub
wirklich will? Nein. Du kennst nur die Süßholzraspeleien seiner Mutter. Und in
die hast du dich natürlich verschaut, ich kenn dir’s an. Klar, dass du da vor
dem Ehemann ein Affentheater machen musst. Klassische Feindbildsituation.«
»Das ist nicht wahr«, protestierte Korber vehement.
»Pass nur auf, mein Lieber«, sagte Leopold. »Dieser Klaus
Stary ist wirklich der Typ, der dir irgendwo auflauert und dich kaltblütig
niederschlägt. Das ist ein Watschenausteiler, ich habe dich gewarnt. Also sieh
dich ja vor, dass er nicht hinter die Nachhilfe und das ganze Zeug mit seiner
Frau kommt. Und für die bereitest du am besten ein schönes Abschiedsgedicht
vor.«
7
Das Paradoxe
an einer Fußballplatzkantine ist, dass der Großteil des Publikums, das sich
darin aufhält, so gar nichts Sportliches an sich hat. Ehrgeizige Eltern von
mehr oder minder begabten Söhnen, sogenannte Vereinsmeier, die glauben, etwas
zu versäumen, wenn sie nicht täglich auf dem Platz herumschnuppern, den
Fußballsport selbst aber nie aktiv ausgeübt haben, Pensionisten, die für einige
Stunden Unterhaltung bei billiger Konsumation suchen oder ehemalige
Vereinsgrößen, die ihre Fitness schon längst dem Alkohol zuliebe zu Grabe
getragen haben – das sind die Durchschnittsbesucher an einem normalen
Wochentag. Während draußen auf den Trainingsplätzen der Schweiß fließt, riecht
es drinnen nach Wein und Bier und die Sessel knarren unter der schweren Last,
die sie zu tragen haben.
So war es auch jetzt, als Leopold und Korber nach
dem unliebsamen Zwischenfall hereinschneiten, um sich zu stärken und ein wenig
umzuschauen. Die anwesenden
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