Verschwörungsmelange
Managerposten gespitzt und irgendwelche Chancen für sich gesehen haben. In
einem Anfall von Blödheit ist ihm dann die Idee gekommen, Ehrentraut auf diese
Weise loszuwerden. Durchaus möglich. Aber eine andere Sache könnte eine weitaus
größere Triebfeder gewesen sein. Denk an die Fotos im Koffer. Stell dir einmal
vor, Reinhard war einer der Nackedeis darauf, und sein Vater hat davon
erfahren. Da würde es mich nicht wundern, wenn er kurz einmal ausgerastet ist –
und das hat dann auch schon genügt.«
»Ob Ehrentraut wirklich ein Perverser war?«
Leopold zuckte die Achseln. »Kann sein, muss aber nicht sein.
Ich will ihn nicht vorschnell verurteilen. Irgendeinen Spleen für
heranwachsende Burscherln wird er schon gehabt haben, wenn das stimmt, was wir
bisher erfahren haben. Die Polizei hat jedenfalls seine Computer beschlagnahmt
und checkt alles durch. Da bin ich schon gespannt, was dabei herauskommt. Seine
Frau Bettina muss die Abende derzeit jedenfalls ohne Internet verbringen.«
»Ist die jetzt eigentlich auch verdächtig?«
»Selbstverständlich. Erstens sind das die Ehepartner von
Ermordeten eigentlich immer, zweitens hat sie zu auffallend darauf hingewiesen,
sie hätte mit keinem anderen Mann was. Da habe ich mir gleich gedacht, dass das
sehr fragwürdig ist. Durch deine Fotos kommt sie jetzt in einen Argumentationsnotstand.
Wir müssen ihr noch genauer auf den Puls fühlen.«
Immer näher kamen sie so, indem sie das Terrain der
Mordverdächtigen sondierten, an den Fußballplatz heran. Man hörte, wie Bälle
losgetreten wurden oder irgendwo an einem Gitterzaun landeten, man hörte das
wilde Durcheinander aufgeregter, junger Stimmen. Während Leopold bereits auf
die Kantine zusteuerte, versuchte Korber, ihn zurückzuhalten. »Ich glaube,
Reinhards Mannschaft trainiert gerade. Da würde ich gern ein wenig zusehen«,
sagte er.
Leopold folgte ihm etwas widerstrebend. Moser hetzte seine
Truppe gerade wieder über den Platz. Offenbar gab es eine Übung im direkten
Kurzpassspiel, bei der jeder, dem ein technischer Fehler unterlief, eine
Strafrunde ums Spielfeld laufen musste. Dabei hatte es auch Reinhard Stary
erwischt. Er trabte gerade demotiviert an jener Ecke vorbei, wo ein paar
Schaulustige das Training verfolgten.
»Hopp, hopp«, schrie Moser, diesmal aufgrund der Zuschauer
etwas zurückhaltender. »Im Spiel ist es genauso. Wenn ihr einen Ball vergeigt,
müsst ihr hinterherrennen.«
Reinhard erblickte jetzt Korber. »Hallo, Herr Professor«,
rief er und unterbrach die Strafrunde, um seinen Nachhilfelehrer zu begrüßen.
»Was machen denn Sie hier bei uns beim Training?«
»Ich wollte mal sehen, was du so alles kannst«, erwiderte
Korber. »Aber ich glaube, ich habe einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt.«
»Der Moser spinnt schon wieder«, schüttelte Reinhard den
Kopf. »Wenn das so weitergeht, höre ich wirklich mit dem Kicken auf.«
»Weiter, weiter, los, was ist denn?«, hörte man schon Mosers
Stimme, diesmal in voller Lautstärke. »Willst du vielleicht noch eine Runde
laufen?«
»Bis morgen«, verabschiedete sich Reinhard leise und nahm
seine Strafrunde wieder auf.
Plötzlich stand ein muskulöser, breitschultriger, leicht
untersetzter Mann mit kantigem Gesicht und einem Anflug von schwarzem
Schnurrbart vor Korber: Klaus Stary. »Was wollten Sie von meinem Sohn?«, fragte
er. Seine Stimme klang aggressiv, herausfordernd.
»Gar nichts. Ich schaue nur ein bisschen beim Training zu,
wie alle anderen auch«, verteidigte sich Korber.
»Woher kennen Sie Reinhard eigentlich?«, bohrte Klaus Stary
weiter.
»Ich … bin Lehrer vorne am Gymnasium«, sagte Korber
vorsichtig.
»Aha, deshalb also die Anrede ›Professor‹«, knurrte Stary,
während er Korber abschätzig zu mustern begann. »Sie unterrichten Reinhard?«
»Nein«, antwortete Korber zögernd. »Aber man kennt natürlich
mehr Schüler, als man selbst hat.«
»So, so.« Klaus Starys Blick drückte nun seine ganze
Verachtung aus. »Sie haben also weiter gar nichts mit Reinhard zu tun. Und da
rufen Sie ihn einfach mitten unter einer Übung her zu sich und unterbrechen ihn
beim Training?«
»Ich habe ihn nicht hergerufen«, protestierte Korber zaghaft.
»Nein? Irgendetwas wollten Sie jedenfalls von ihm.
Ihn kontrollieren vielleicht? Ihn darauf aufmerksam machen, dass er einiges für
seine Prüfungen zu lernen hat?«, zischte Stary böse durch seine Zähne. »Ich
habe nicht viel gelernt
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