Verschwörungsmelange
ein paar
Freunde hatte. Aber er hatte es nie richtig geschafft, dort ein neues Leben
anzufangen. Er hatte zu trinken begonnen, den Führerschein, seinen Beruf als
Taxifahrer und somit immer mehr Boden unter den Füßen verloren. Erst vor einem
Jahr hatte man eine Schlagzeile über ihn in der Zeitung lesen können:
›Ehemaliger Fußballer randaliert in Linzer Innenstadt‹. Da erinnerten sich
wieder alle an ihn: Harry, der Flügelflitzer von der Floridsdorfer Eintracht.
Geblieben waren eine bedingte Strafe und der Schaden, den er zu ersetzen hatte.
Der hatte ihm wohl letzten Endes das Genick gebrochen.
»Schau ihn an«, raunte Fips zu Leopold hinüber. »Schau ihn
dir bloß an. Der ist arm dran. Da wird nichts mehr draus. Für kurze Zeit hat er
vielleicht sein Auskommen, aber dann? Den kann man sich doch in keiner
Arbeitswelt mehr vorstellen.«
»Sag, wie war das damals mit dem Foul eigentlich wirklich?«,
fragte Leopold jetzt.
»Der Spieler hat Zeleny geheißen«, sagte Fips.
»Stimmt nicht. Zelenka«, meinte Hamm.
»Nein, Zeleny«, wehrte sich Fips.
»Er hat recht«, bemerkte Wittmann zu Hamm.
»Von mir aus. Er hat jedenfalls dieses Foul gemacht, brutal
und unmenschlich. Ist dem Harry voll gegen das Schienbein gefahren und hat
durchgezogen. Ganz genau wissen wir’s halt nicht, weil wir das Match nicht
gesehen haben. Der Harry hat ja nicht mehr bei uns gespielt«, erläuterte Hamm.
»Er war in dieser Saison bei Olympia Meidling«, kam es nun
wiederum von Wittmann.
»Nein, bei Margareten«, korrigierte Hamm. »Hundertprozentig.«
»Also, soweit ich mich erinnere, war er bei Meidling«, sagte
Wittmann.
Hamm schüttelte den Kopf. »Nein, war er nicht. Ich weiß das
deshalb so genau, weil Sturm in diesem Jahr Trainer von Margareten war.«
»Aber Harry wollte doch zu Meidling gehen«, warf Fips ein.
»Stimmt«, bestätigte Hamm. »Er hat sich letztlich aber für
Margareten entschieden, wegen seinem Freund Sturm. Und dann kam dieses
unglückselige Spiel gegen Hernals.«
»FC Pötzleinsdorf«, verbesserte ihn Wittmann. »Zeleny hat in
dieser Saison bei Pötzleinsdorf gespielt.«
»Wirklich?«, fragte Fips ungläubig.
»Sag, habt ihr alle überhaupt keine Ahnung mehr?«, wurde
Wittmann lauter. »Das Match war damals draußen auf der ›Roten Erde‹ [14] . Da
lasse ich mich hineinstechen, wenn das nicht stimmt.« Dabei deutete er
unmissverständlich auf seine Halsschlagader.
Also Harry Leitner bei Margareten gegen Zeleny von
Pötzleinsdorf, versuchte Leopold seine Gedanken zu ordnen, während die
Diskussion immer intensiver wurde. Vereins- und Spielernamen flogen in der
Runde nur so hin und her, und es ging die Jahre auf und ab, weil jeder sein
Fachwissen einbringen wollte. »Hat das Foul irgendwelche Folgen gehabt?«,
fragte er schließlich vorsichtig.
»Ja, für unseren armen Harry«, lachte Fips Ziegler lakonisch.
»Der hat seine Fußballschuhe an den Nagel hängen können. Aber wenn du Zeleny
meinst, so ist er bis auf eine Sperre von zwei Spielen …«
»Von drei Spielen«, schnarrte Hamm unbarmherzig.
»Na schön, also von drei Spielen, ungeschoren davongekommen.
Damals ist noch nicht jedes Spiel mit einer Videokamera aufgezeichnet worden,
und der Schiedsrichter – übrigens ein ganz junger Schnösel…«
»Der junge Birke, sag’s doch gleich«, unterbrach Wittmann.
»Darf ich jetzt ausreden oder nicht?«, wurde Fips ungeduldig.
»Der Schiedsrichter war einfach überfordert, hat offensichtlich keine
Verletzungsabsicht attestiert. Damit hat für unseren Harry nichts
herausgeschaut, und es ist bald Gras über die Geschichte gewachsen.«
»Und dann hat er sich die falschen Freunde gesucht, ist fort
aus Wien und total abgestürzt«, nickte Wittmann zustimmend.
»Aber irgendwo gibt es immer eine höhere Gerechtigkeit«,
murmelte Fips Ziegler nahezu pietätvoll. »Ihr wisst ja, meine Herren, diesen
Zeleny hat das Schicksal letzten Endes auch erwischt.«
Jetzt nickten alle, nur Leopold und Korber sahen etwas ratlos
drein.
»Er ist etwa ein Jahr später ertrunken«, klärte Fips sie auf.
»In seiner eigenen Badewanne. Er war schwer alkoholisiert. Angeblich hat er
sich nicht einmal die Unterhose ausgezogen. Er muss ausgerutscht und mit dem
Hinterkopf gegen den Wannenrand gedonnert sein. Dann war er bewusstlos und … na
ja.«
»Möchte wissen, wie viele Fußballer während oder nach ihrer
Karriere zu Trinkern geworden sind«, sinnierte Korber.
»Und ich
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