Verschwörungsmelange
Bald würden ihn lyrische Monstrositäten ungeheuren
Versmaßes in seinen Träumen verfolgen, ungezügelte Wellen würden ihn über ein
ganzes Meer amouröser Reime geleiten, und im Erwachen würde er das sanfte
Rauschen von Manuelas Stimme hören, immer noch ein Gedicht und noch ein Gedicht
von ihm fordernd. Das Schlimme war, dass er begann, an der Situation Gefallen
zu finden und nicht mehr wusste, ob Manuelas naiver Zugang zur Dichtkunst daran
Schuld trug oder sein naiver Zugang zu ihr selbst.
»Ich werde mich bemühen. Es ist Zeit«, sagte er,
steckte gedankenverloren den Geldschein ein, den ihm Manuela Stary überreichte,
nahm die Kamera vom Garderobekästchen und verabschiedete sich.
Manuela blinzelte ihm erneut kurz zu. »Vielen Dank für alles«,
flüsterte sie. »Ich bin ganz gespannt, wie der heutige Abend wird. Morgen
erzähle ich dir alles.«
»Er wird sicher schön und interessant, glaube mir«, versprach
Korber, schon in der Tür.
»Hoffentlich.« Sie legte den Kopf zur Seite und dachte kurz
nach. »Ich glaube, ich ziehe doch lieber die rote Bluse an«, rief sie Korber
dann nach.
*
Korber trat hinaus in die Sonne und atmete
einmal tief durch. Da tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter. »Leopold«,
rief er erschrocken. »Was machst du denn hier?«
»Ich habe auf dich gewartet.«
Korber schaute ihn nur fragend an.
»Die Adresse habe ich im Kaffeehaus mitgehört, und den Beginn
deiner Stunde hast du mir ja liebenswürdigerweise mitgeteilt«, klärte Leopold
ihn auf. »Und wie lange du mit dem Gedicht brauchen würdest, das hab ich eben
geschätzt.«
»Und warum wartest du auf mich?«
»Dumme Frage. Hast du etwas herausgefunden?«
»Wenn du dich ein bisschen geduldet hättest, hätte
ich dich gleich angerufen und dir alles mitgeteilt«, sagte Korber
kopfschüttelnd. Dann machte er Leopold mit dem Ergebnis seiner kurzen
Verfolgungsjagd vertraut.
»Zeig her, ich will die Fotos sehen.« Leopold konnte es kaum
mehr erwarten. Fachmännisch klickte er an der Kamera herum, bis die Bilder auf
dem kleinen Display sichtbar wurden. »Unscharf«, murmelte er zuerst und rümpfte
ein wenig die Nase, aber dann heiterten sich seine Gesichtszüge auf. »Ja, was
sieht man denn da«, frohlockte er. »Das hab ich mir doch gleich gedacht.
Erstens war die Bettina schon immer ein bisschen falsch, zweitens ist sie nicht
die Frau, die eine lieblose Beziehung ohne einen anderen Mann aushalten würde.
Wenn ich nur wüsste, wer der Kerl ist. Vielleicht kenne ich ihn sogar. Aber
leider – so richtig scharf ist hier kein Bild.« Dann bekam Korber dennoch ein
kräftiges Lob: »Hast du gut gemacht. So, und jetzt gehen wir etwas trinken.«
»Zur Feier des Tages?«
»Auch.«
»Sag bloß nicht, dass du mich jetzt auf den Eintracht-Platz
verschleppen möchtest«, dämmerte es Korber. »Du willst mich nur wieder in diese
Sache hineinziehen, tiefer und immer tiefer. Ich habe dir doch gesagt, dass ich
diesmal nicht mitmache.«
»Was sträubst du dich«, versuchte Leopold, ihn zu beruhigen.
»Ich bin ja bei dir, also kann dir gar nichts passieren. Außerdem bist du doch
neugierig, wie es jetzt, nach Ehrentrauts Tod, um deine Eintracht steht.«
»Manuelas Mann wird wahrscheinlich den Job kriegen.«
»Der Watschenverteiler? Na, dann wünsche ich gute Nacht.«
»Zumindest dürfen er und Manuela heute zusammen mit Brown
essen gehen. Ich glaube, Brown macht das ganz geschickt. Er hat sich rasch ein
willfähriges Opfer ausgesucht, das zwar eine große Klappe hat, ihm aber nicht
gefährlich werden kann. Stary wird heute Abend entsprechend präpariert und dann
dem Vorstand als Ehrentrauts Nachfolger vorgeschlagen. Sollte es einen
Widerstand geben, droht er einfach, nach der Fusion alle wichtigen Positionen
mit seinen Leuten von den Kickers zu besetzen. Und er wird alles schnell
durchziehen, ehe sich die Gegenseite formiert.«
»Womit erwiesen ist, dass Brown trotz allem
Revolutionsgeschrei die Fäden fest in der Hand hält. Übrigens ein widerlicher
Kerl. Er war heute früh im Kaffeehaus.« Leopold erzählte seinem Freund rasch
von Browns lautstarkem Auftritt.
Dabei marschierten beide tüchtig voran, und auch
Korber lenkte seine Schritte wie selbstverständlich in Richtung
Eintracht-Sportplatz. »Glaubst du, dass Stary ein Motiv gehabt haben könnte,
Ehrentraut zu töten?«, fragte er.
»Natürlich«, erwiderte Leopold. »Er könnte schon länger auf
den
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