Verschwörungsmelange
redete mit den Wirten, den Kellnern, den Stammgästen. Spät,
spät erst ging es Richtung Heimat.
Leopold kam mit dem Gefühl zu Hause an, erfahren zu haben,
was er wollte, und noch ein wenig mehr. Aber es war zu früh, daraus einen
bestimmten Schluss im Fall Ehrentraut zu ziehen. Wie immer in solchen
Augenblicken beschloss er deshalb, die weitere Entwicklung abzuwarten und die
Dinge erst einmal für sich zu behalten.
8
Leopold musste zugeben, dass er in der
allgemeinen bürgerlichen Etikette nicht hundertprozentig bewandert war. Gehörte
es sich, einen Tag, nachdem man einer Witwe zum plötzlichen Ableben ihres Mannes
kondoliert hatte, schon wieder bei ihr anzurufen? Jedenfalls klang Bettina
Ehrentrauts Stimme am Telefon diesmal im Gegensatz zu ihrer redseligen und
aufgekratzten Art vom Vortag zurückhaltend und indigniert. Sie sah nicht ein,
warum sie sich schon wieder mit Leopold treffen sollte.
»Na schön, wenn es unbedingt sein muss«, sagte sie. »Ich habe
aber nur sehr wenig Zeit.«
»Ich auch, Gnädigste, ich auch«, räumte Leopold
ein.
Später, auf dem Bahnhofsvorplatz, trippelte sie ihm eiligen
Schrittes entgegen, der Blick gar nicht freundlich, im Gesicht Spuren von
Tränen. »Was wollen Sie?«, fragte sie gereizt. »Ich habe nicht jeden Tag Zeit
für ein Plauscherl, und in meiner jetzigen Situation schon gar nicht. Was ist
denn auf einmal so wichtig? Wir haben doch gestern ausführlich miteinander
geredet.«
»Ja, schon. Aber ich bin ein bisschen enttäuscht. Ich habe
erwartet, dass Sie ehrlich zu mir sind«, kam Leopold zur Sache und betonte
dabei das Wort ›ehrlich‹ besonders.
»War ich denn das nicht?«
»Keineswegs. Sie haben mir gegenüber behauptet, dass Sie
keinerlei Beziehung zu einem Freund beziehungsweise Liebhaber unterhalten. Das
war eine Lüge.«
»Wie kommen Sie denn plötzlich darauf?«, bäumte sich Bettina
auf.
»Es gibt Beweise.«
Ein kurzes, nervöses Zucken der Augen, eine kleine
Unsicherheit. »Welche?«
»Sie sind gestern mit einem Mann beim Millennium Tower
gesehen worden. Na, und innig geküsst haben Sie sich auch.«
Bettina kämpfte um ihre Fassung. »Sie haben mir
nachspioniert?«
»Was habe ich denn damit zu tun?«, spielte Leopold den
Unschuldigen. »Man hat mir die Sache zugetragen. Das heißt, es wird bereits
darüber geredet. Und ich, der Ihnen immer die Stange gehalten hat, komme mir
jetzt ganz schön dumm vor. Ich habe geglaubt, ich bin eine Vertrauensperson.
Dabei haben Sie mich angeschwindelt.«
»Die Leute erzählen solche Dinge herum?«
»Gewissermaßen. Es existieren sogar Fotos von dem kleinen
Rendezvous.«
Bettina schnappte nach Luft. »Mir scheint, Sie sind ein ganz
gemeiner Erpresser«, protestierte sie. »Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.
Ich habe Sie immer für einen aufrichtigen Menschen gehalten.«
»Ich Sie doch auch. Aber wie gesagt, ich habe nichts mit der
Sache zu tun. Ich weiß nur, dass Gerüchte im Umlauf sind, und wo ein solches
Gerücht ist, erfährt es bald auch die Polizei. Da schaut es dann gar nicht gut
für Sie aus. Ich möchte Ihnen doch helfen. Das geht aber nur, wenn Sie mir
jetzt reinen Wein einschenken.«
Um Bettinas Nervenkostüm war es wahrhaft nicht gut bestellt.
Sie begann, wild drauflos zu heulen. »Wie … wie wollen Sie mir denn helfen?«,
fragte sie schluchzend.
»Zuerst die Wahrheit«, blieb Leopold unnachgiebig. »Sie haben
einen Geliebten?«
»Ja«, kam es, kaum hörbar.
»Haben Sie oder Ihr Geliebter Ihren Mann umgebracht?«
»Nein«, sagte sie immer noch leise, aber mit einem leichten
Protest in der Stimme.
»Gut. Ich will Ihnen zunächst einmal glauben. Aber Sie wissen
selbst, dass Sie die Tatsache, dass Sie Ihren Liebhaber verheimlicht haben,
verdächtig macht, oder?«
»Es war wie in einem schlechten Film«, brach es aus Bettina
hervor. »Wolfgang hat mich von einem Privatdetektiv beschatten lassen. Er
wollte mir meine Untreue beweisen, damit ich im Fall einer Scheidung schuldig
gesprochen werde. Da war aber nichts, wirklich. Eigentlich hat alles erst
angefangen, als ich diesem Privatdetektiv plötzlich gegenübergestanden bin. Es
war Gerry, Gerry Scheit, ein alter Schulfreund von mir. Wir konnten es kaum
glauben. Zuerst haben wir über die Situation nur gelacht, aber dann …«
» … ist was Ernstes draus geworden.«
»Richtig. Wir sind ja damals in der Schule ein kleines
bisschen verliebt ineinander gewesen. Gerry war schon als Bub ein
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