Verschwörungsmelange
denken.
»Aber je länger es gedauert hat, desto langweiliger ist es
geworden. Wie soll man als Frau denn an einem Gespräch teilnehmen, wenn zwei
Männer die ganze Zeit nur über Fußball reden? Man muss immer lächeln und mit
dem Kopf nicken. Zeitweise habe ich das Gefühl gehabt, die beiden haben mich
gar nicht registriert.«
»Vielleicht wirst du dich an dieses Gesprächsthema gewöhnen
müssen«, sagte Korber nicht ohne Sarkasmus.
»Eben. Das fürchte ich ja.« Manuela Stary wurde
etwas lauter beim Geschirrausräumen. Dann herrschte wieder einige Augenblicke
peinliche Stille. »Mein Gott, verstehst du denn nicht?«, sprudelte es mit einem
Mal aus Manuela heraus. »Nur mehr Fußball, tagein, tagaus. Es war bis jetzt
schon schwer genug. Aber wie soll meine Zukunft ausschauen? Wen kümmert es, was
ich mir denke, was ich fühle? Wer interessiert sich für meine Sorgen und
Probleme? In ein paar Jahren ist Reinhard groß und weg aus dieser Wohnung. Und
dann? Dann soll ich wohl hier in meiner Küche sitzen und die Erbsen zählen.«
Sie kam auf Korber zu. Ihr Gesicht war auf einmal verweint.
Sie roch nach Schweiß und Tränen. Er stand auf und nahm sie in seinen Arm. »Es
tut mir leid, dass ich das vorhin gesagt habe«, versuchte er, sie zu trösten.
»Weißt du, meistens kommt es nicht so schlimm, wie man im ersten Augenblick
denkt. Es ist …«
»Es ist schon lange so, dass wir kaum mehr etwas miteinander
reden, Klaus und ich«, schluchzte Manuela. »Nur, wenn wir über Reinhard und die
Schule streiten. Klaus ist dann so … unnachgiebig und abweisend. Er hat sich
stark verändert im Lauf der Jahre. Eigentlich haben wir uns nichts mehr zu
sagen. Und das soll jetzt ewig so weitergehen?«
Noch einmal dachte Korber kurz an die Episode auf dem
Fußballplatz. War das der richtige Mann für die zartfühlende Manuela? Nein und
abermals nein.
»Bitte halt mich noch ein bisschen. Es tut mir gut«, bat sie,
während seine Hände unruhig wurden, sich auf eine Wanderung über ihren Körper
vorbereiteten. Dann fragte sie mit einem Mal: »Hast du wieder ein Gedicht für
mich?«
Korber nickte stumm.
»Ein schönes romantisches? Ein Liebesgedicht?«
Korber nickte abermals.
»Oooh, ich bin schon ganz gespannt. Trag es mir aber bitte
auf der Couch im Wohnzimmer vor. Dort ist es viel gemütlicher als hier in der
Küche.«
Sie gingen ins Wohnzimmer. Korber setzte sich auf die große,
beige Ledercouch. Er musste aufpassen, in ihr nicht zu tief einzusinken.
Manuela Stary setzte sich erwartungsvoll neben ihn. Sie war ihm jetzt sehr,
sehr nahe.
»Das Gedicht ist von Stefan Zweig«, erklärte Korber und
räusperte sich. »Er lebte großteils in Wien und war in der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts als Autor tätig. Allerdings hat er nicht viele Gedichte
geschrieben, eher Erzählungen und Lebensläufe. Dieses ist jedoch sehr schön. Es
handelt von … von den ersten Zärtlichkeiten.«
»Dann fang doch endlich an«, forderte Manuela, die es gar
nicht mehr erwarten konnte.
Korber besann sich einen Augenblick, schaute Manuela tief in
ihre graublauen Augen und begann dann zu sprechen, anfangs mit merkwürdig
trockenem Mund und einer schauderhaften Unruhe in der Stimme. Nur langsam löste
sich seine Befangenheit:
»Ich liebe jene ersten bangen Zärtlichkeiten,
die halb noch Frage sind und
halb schon Anvertraun,
weil hinter ihnen schon die andern Stunden
schreiten,
die sich wie Pfeiler wuchtend in das Leben baun.
Ein Duft sind sie; des Blutes flüchtigste Berührung,
ein rascher Blick, ein Lächeln, eine leise Hand –
sie knistern schon wie rote Funken der Verführung
und stürzen Feuergarben in der Nächte Brand.
Und sind doch seltsam süß,
weil sie im Spiel gegeben,
noch sanft und absichtslos und leise nur verwirrt,
wie Bäume, die dem Frühlingswind entgegenbeben,
der sie in seiner harten Faust zerbrechen wird.« [18]
Manuela Starys Augen glänzten. Sie waren diesmal
die ganze Zeit über offen geblieben, es waren Augen nur für ihn. »Hast du das
extra für mich ausgesucht?«, fragte sie. Ihre Hand begann dabei, die seine zu
streicheln.
»Es … Ich habe einfach gedacht, es passt am besten«, sagte
Korber. Er merkte, wie er immer tiefer in die Couch einsank.
»Es passt fantastisch«, hauchte Manuela. »Und es
ist wirklich sooo schön. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass es da um die
Gefühle zweier Menschen geht, die sich ganz langsam näherkommen,
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