Verschwörungsmelange
zuerst
leise, dann immer lauter, Frau Heller inmitten eines swingenden Publikums, dem
sie den Kaffee in Pappbechern kredenzte. ›Schauen Sie nicht so, Leopold‹, würde
sie sagen. ›Musik ist die Zukunft. Musik und Fußball.‹ Er würde es aber kaum
verstehen, weil der Lärm aus den Lautsprechern so laut war.
Er würde dann nicht mehr dazugehören. ›Irgendwann werde ich
so unnötig sein wie das Handtuch, das jetzt noch auf dem Klo hängt‹, dachte er.
›Und niemandem werde ich abgehen.‹
»Leopold, was ist denn los mit Ihnen?«, schreckte ihn Frau
Heller aus seinen Gedanken auf. »Sie haben Ihren Dienst ohnehin später
angetreten, jetzt stehen Sie wieder herum wie ein Traummännlein.«
»Ich spür’s wieder. Der Schub, Frau Chefin«, entschuldigte er
sich. »Wenn ich Ihnen zu langsam bin, und Sie auf meine Dienste verzichten
wollen, gleichsam als Vorbereitung auf eventuell anbrechende neue Zeiten …«
»Jetzt werden Sie nicht kindisch«, wies sie ihn liebevoll
zurecht. »Bedienen Sie lieber den Herrn vorne am zweiten Tisch, der eben
gekommen ist. Er winkt Ihnen schon die ganze Zeit.«
»Der wird sich ein wenig gedulden müssen. Zuerst bekommt die
Frau Fürthaler ihre Melange.«
»Leopold«, wurde Frau Heller wieder strenger. »Lassen Sie
Frau Fürthaler warten, die ist es schon gewohnt. Dieser Herr …« Sie kam mit dem
Mund ganz nahe an sein Ohr. »Erkennen Sie ihn nicht wieder? Er ist einer der
unsern.«
Einer der unsern? Damit konnte wohl nur einer der ›Freunde
der Eintracht‹ von der Versammlung am Dienstag gemeint sein. Leopold schaute
sich den Typ kurz aus den Augenwinkeln an: sportlich, gepflegtes Äußeres,
leicht angegraute Schläfen, Sonnenbrille. Nichts, was ihn auf den ersten Blick
zu einer auffälligen Erscheinung machte. Dennoch glaubte er, ihn zu kennen.
»Bitte sehr, der Herr?«, näselte er ihm entgegen.
»Eine kleine Flasche Bier, wenn’s schon sein muss«, erwiderte
der Angesprochene. »Aber eigentlich wollte ich nur kurz mit Ihnen reden.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Jetzt tun Sie nicht so. Sie haben mich ja quasi
herbestellt.«
Jetzt dämmerte es Leopold. Natürlich, das war
Gerry Scheit, Privatdetektiv und neuer Begleiter von Bettina Ehrentraut. Er
musste also auch an der Versammlung teilgenommen haben. Leopold holte eine
Flasche Exportbier aus dem Kühlschrank. Dabei sah er, dass Frau Heller mit
einer Melange und den Worten: »So, da kommt schon Ihr Kaffeetscherl, Frau
Fürthaler« nach hinten lief. Es sah so aus, als könne er sich kurz mit Scheit
unterhalten.
»Eine unangenehme Situation, in die Sie sich da
hineinmanövriert haben«, sagte Leopold knapp.
»Wieso? Eine Freundin zu haben ist noch lange kein
Verbrechen.« Gerry Scheit spielte auf lässig, schaute auf seine Fingernägel, ob
sie auch sauber waren.
»Ihren Ehegatten umzubringen aber schon.«
»Ich weiß, das haben Sie auch Betty gegenüber angedeutet«,
lächelte Scheit, und seine Zähne blitzten. »Aber ist das nicht etwas weit
hergeholt? Bettys Mann hat nichts von uns beiden gewusst.«
Leopold blieb angriffslustig: »Das würde ich nicht so sehen.
Er hat Sie beauftragt, seine Frau zu beschatten. Er wollte Resultate, aber er
hat keine bekommen. Nichts, nicht einmal irgendetwas hat er bekommen. Da musste
er doch Verdacht schöpfen. Ich wette, er ist Ihnen beiden auf die Schliche
gekommen.«
»Aber nein. Ich bin überzeugt, er hatte keine Ahnung. Er hat
mir sogar einen weiteren Auftrag gegeben. Es war wegen des Fußballvereins, in
dem er gearbeitet hat. Er hat sich Sorgen bezüglich umstürzlerischer Tendenzen
gemacht, wollte die Namen von Leuten, die die geplante Fusion gefährdeten. Da
hat er mich gebeten, mich ein wenig umzuhorchen.«
Daher also Scheits Anwesenheit bei der Versammlung im
Kaffeehaus und nachher in der Kantine, wo Gretl Posch ihn sich gemerkt hatte.
»Interessant«, meinte Leopold. »Dann kommt zu dem Motiv auch noch die
Möglichkeit dazu. Ich stelle mir das so vor: Sie gingen nach unserem netten
Treffen zusammen mit den anderen auf den Fußballplatz. Ehrentraut wollte kurz
mit Ihnen sprechen, um über die Pläne der Eintracht-Verschwörer Bescheid zu
wissen. Er wählte dazu den um diese Zeit verlassenen Platz auf der
Stehplatztribüne hinter dem Tor aus. Aber Sie hatten bereits den Plan gefasst,
ihn zu töten und trugen das Messer aus der Kantine bei sich. Vielleicht hat
Betty Sie dazu angestiftet, weil es für sie die
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