Verschwörungsmelange
das doch gar nicht wahr. Ich habe immer versucht, dein Freund zu bleiben,
trotz allem.«
Leitner hörte die Worte, aber er verstand sie kaum mehr.
Wieder nahm Sturm die Flasche. Diesmal schob er Leitner den Hals in den Mund.
Er hob die Flasche an und drückte gleichzeitig sein Gesicht nach hinten.
Leitner schluckte und kotzte einen Teil wieder heraus. Sturm setzte die Flasche
ab.
»Ich wollte dein Freund sein, aber du hast mich angekotzt,
genau so«, redete er auf den willen- und praktisch besinnungslosen Leitner ein.
»Und irgendwann wirst du alles auskotzen, wenn du so weitermachst, alles, deine
ganzen Fantasiegebilde. Du bist kein Freund, Harry, du bist ein kleines Kind.
Ich muss jetzt auch ein wenig an mich denken. Das verstehst du doch, oder?«
Erneut setzte Sturm die Flasche an. Leitners
Schluckbewegungen kamen automatisch, ebenso wie die vergeblichen Versuche
seines Körpers, sich zur Wehr zu setzen. Wieder kam ein Teil der Flüssigkeit
hoch, dazu Röcheln, bellendes Husten, Angst vor dem Ersticken. Auf Leitners
Hose bildete sich ein großer, nasser Fleck. Auch dort war alle Beherrschung
verloren gegangen.
Sturm redete weiter, redete nur mehr zu sich
selbst. »Und dann der Ekel, den ich ständig in deiner Nähe empfinde. Du bist
verfallen, verdreckt, verwahrlost. So wie du jetzt bist, das ist dein wahres
Ich. Wenn ich daran denke, dass du mir einmal die Barbie ausgespannt hast, muss
ich direkt lachen. Und dass ich mir bis vor Kurzem Sorgen um dich gemacht habe,
ist auch lächerlich. Ich muss das alles vergessen. Ich muss die Sache zu einem
Ende bringen.« Zufrieden nahm er die Flasche und hob sie in die Höhe.
»Wenigstens hast du beinahe
ausgetrunken, Harry«, nickte er anerkennend. »Eine große Leistung, die einzige,
zu der du noch fähig bist. Dafür hast du einen wunderbaren Tod, glaube mir,
einen, von dem du nichts mitbekommen wirst. Das heißt, eine kleine Unsicherheit
bleibt. Du verträgst verdammt viel. Vielleicht bist du gar nicht gleich tot.
Vielleicht kommst du morgen wieder zu dir, als ob nichts gewesen wäre. Und das
wollen wir doch nicht, Harry. Nehmen wir die Badewanne, wie bei Zeleny? Nein,
das würde auffallen. Aber ein Zigarettchen in Ehren wird niemanden stören. Du
wirst leider auch ersticken und verbrennen, Harry. Gleich wirst du hier ein
hübsches Feuerchen haben.«
Sturm nahm eine Zigarette und zündete sie
genüsslich an. Dann wischte er den Filter mit einem Taschentuch ab, ehe er sie
Leitner in den Mundwinkel steckte. Er brauchte jetzt nur noch eine Zeitung und
den Polster von der Couch, den er ein wenig mit dem übriggebliebenen Weinbrand
tränkte und ihm in die Hand drückte.
Von alledem merkte Harry Leitner nichts mehr. Seine kleine
Angie war gekommen und hatte ihn besucht. Sie gehörte jetzt ihm allein. Alles
andere zählte nicht mehr.
Er hörte auch nicht, dass es an seiner Tür plötzlich heftig
klingelte und klopfte.
*
»Aufmachen!«, rief Leopold, so laut er konnte.
»Hören Sie mich, Harry? Aufmachen! – Er hört nicht«, stellte er dann
verzweifelt fest.
»Warum auch? Er schläft seinen Rausch aus«, bremste Korber
seinen Freund.
»Wie kannst du nur so begriffsstützig sein. Ich habe dir doch
gesagt, dass Sturm so gut wie sicher der gesuchte Mörder ist. Es fehlt nur der
letzte Beweis.« Leopold war am Explodieren.
»Und wer oder was, zum Teufel, sagt dir, dass Sturm jetzt da
drinnen ist und Harry etwas antun will? Er kann ihn ganz normal abgeliefert
haben und nach Hause gefahren sein.«
»Mein Gefühl sagt mir das, verstehst du? Für solche Sachen
habe ich einen Riecher. Es war heute schon auf dem Fußballplatz so eine
komische Situation, als du mit Harry an der Theke gestanden bist. Und nach dem
Training hat sich Sturm sofort wieder nach Harry erkundigt und ihn sogar mit
dem Auto abgeholt. Da ist doch was faul. Richard kommt zwar hoffentlich gleich,
aber jede Minute ist kostbar.« Er klopfte und läutete erneut. »Aufmachen,
Polizei!«, schrie er dabei.
»Dürfen wir uns eigentlich als Polizei ausgeben?«, wollte
Korber wissen.
»Wer lange fragt, bleibt über«, erklärte Leopold ungeduldig.
»Es rührt sich nichts. Wir müssen die Tür aufbrechen.«
»Das geht doch erst recht nicht«, protestierte Korber.
»Freilich geht’s«, beharrte Leopold.
»Da ist er«, rief Korber jäh.
»Wer? Wo?«
»Sturm. Draußen!«
»Die Wohnung liegt im Erdgeschoss. Er muss durch das Fenster
entkommen
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