Verschwörungsmelange
Position?«
»Rechtes Mittelfeld, eher defensiv. Aber bei
Freistößen und Eckbällen war ich immer vorne.« Korber deutete auf seinen Kopf.
»Mit dem da war ich ganz schön stark.«
»Kopfballspezialist, ha? Und warum hast du dann aufgehört?«
Leitner ging ganz formlos zum Du über.
»Ich weiß nicht mehr so recht. Wahrscheinlich hat es mich
irgendwann angezipft [22] , jedes
Wochenende auf dem Fußballplatz zu stehen, oder, noch schlimmer, auf der
Ersatzbank zu sitzen.«
Harry Leitner nickte: » Ja, das macht einem irgendwann zu
schaffen, wenn man jung ist. Da hat man genug andere Sachen im Kopf. Und
wahrscheinlich hast du da auch gerade deine ersten Mädchen gehabt.«
»Nicht unbedingt.« Korber hatte sich erst relativ spät für
das weibliche Geschlecht interessiert, das war ihm jetzt komischerweise
peinlich. »Und du?«, fragte er.
Leitner sah ihn an wie ein Wesen von einer
anderen Welt. »Ich war ständig mit einer anderen unterwegs. Das musst du doch
wissen. Das hat sich herumgesprochen.«
»Ja, ich weiß«, spielte Korber den Eingeweihten. »Und deine
Lieblingsfrau hat dann Angie geheißen.«
Aus Harrys Körper rang sich ein tiefer Seufzer ins Freie.
»Angie«, sagte er, und seine Augen bekamen einen seltsam glasigen Blick. »Ja,
Angie war toll. Das war nicht nur so ein Mädchen. Das war eine Frau … für
immer.« Er bestellte noch ein Bier. »Weißt du, dass ich sie hier kennengelernt
habe?«, vertraute er Korber dann an.
»Nein.«
»Ja, genau hier. Komisch, was? Sie war schlecht drauf. Sie
hatte Streit mit ihrem Freund.«
»Wie hat sie eigentlich wirklich geheißen? Angelika? Oder
Angelina?«
Wieder schaute Harry Leitner irritiert drein. »Nein, warum?
Barbara. Barbara war ihr Name. Warum soll sie denn anders geheißen haben?«
›Barbara‹, dachte Korber. ›Alles klar. Ein Name wie aus einer
dieser ständigen Quizsendungen im Fernsehen: Frauenname mit drei ›A‹.‹ Er
erwiderte: »Ganz einfach, weil du sie Angie nennst.«
Leitner lächelte traurig in sich hinein. »Du hast keine
Ahnung. Sie haben damals hier in der Musikbox das Lied gespielt. Ich habe mit
ihr zu tanzen begonnen, zu dieser Zeit konnte ich das ja noch. Ich hab ihr kurz
mal an die richtige Stelle gegriffen, und die Sache war geritzt. ›Angie‹, hab
ich ihr ins Ohr geflüstert, ›Angie‹. Und dann ist mir der Name nicht mehr aus
dem Kopf gegangen.« Er begann das Lied zu summen, erst leise, dann immer
lauter, bis er »Angie« herausschrie und sich dafür einen bösen Blick vom
Serviermädchen einfing.
»Schon gut, schon gut«, versuchte Korber, ihn wieder zu
beruhigen. »Es ist ja nicht üblich, dass man seine Mädchen nach Songtiteln
benennt.«
»Nicht üblich? Was soll das heißen? Bei mir ist das so,
verstanden?«, polterte Leitner. Es trat das ein, was Korber befürchtet hatte:
Leitner verlor zusehends die Kontrolle über sich selbst. »Man wird zu einer
Frau ja wohl Angie sagen dürfen. Und man wird doch Frauen haben dürfen, so viel
man will. Ist das verboten? Warum regen sich dann alle darüber auf?«
»Ruhig, Harry. Hat es Probleme gegeben?«, fragte Korber
vorsichtig.
»Probleme? Ja, ja, natürlich. Drum bin ich weg von diesem …
diesem Scheißverein damals. Und Helmut tut das jetzt auch. Der hat auch die
Nase voll. Und er hat versprochen, dass er mich mitnimmt.« Leitner begann, ›We
are the champions‹ zu grölen.
»Komm, Harry, lass das«, mahnte Korber.
»Lass mich in Ruh«, pfauchte Leitner und versetzte ihm ohne
Vorwarnung einen Stoß, dass er ein paar Schritte nach hinten taumelte.
Die Kellnerin war sofort zur Stelle. »Du gehst jetzt«, sagte
sie streng. »Du hast schon wieder zu viel. Dein Freund hat ohnedies vorhin
angerufen und sich erkundigt, ob du da bist. Er macht sich Sorgen um dich. Er
muss gleich da sein.«
Leitner fixierte sie mit einem angriffslustigen Blick. Seine
Augen ermatteten aber in Bruchteilen von Sekunden. »Komm, geh«, forderte ihn
die Kellnerin erneut auf. »Draußen ist es warm genug. Da kannst du singen, soviel
du willst, bis dein Freund kommt.«
Leitner nahm sich einen Anlauf, etwas zu sagen, drehte sich
dann aber einfach um und verschwand zur Tür hinaus. Korber, der seinen Abgang
vorsichtig beobachtet hatte, wagte sich nun wieder zur Theke vor.
»Seien Sie bitte nicht böse«, entschuldigte sich die
Kellnerin bei ihm. »Ich kenne ihn noch nicht lange, aber so ist er immer, wenn
er einen über den Durst getrunken
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