Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
diese Puppe«, sagte er mit breitem Lachen, »aber die, welche ich machen würde, wäre noch schöner!« Dieser Spruch war die stattliche Summe wert, die er bezahlt hatte, und Adrienne, von den Käufern in Anspruch genommen, fand keine Gelegenheit, ihn zurechtzuweisen.
Denn die Geschäfte liefen ausgezeichnet. Es gab bloß ein Hindernis – nicht beim Verkauf, sondern bei der Bedienung der Kunden. Immer wieder musste man eines der Spielzeuge herunternehmen, es in den meisten Fällen auch einpacken. Das hätten am Stand die beiden Mädchen besorgen sollen: Liszka, die Jüngste der Laczók-Schwestern, und Addys Schwester, die kleine Margit Milóth. Liszka rührte und regte sich, doch es fiel so viel Arbeit an, dass sie es allein nicht schaffte. Margitka aber war zumeist nirgends zu entdecken. Erst wenn man schon zehnmal nach ihr gerufen hatte, fand sie sich irgendwie ein, und kaum verging eine Minute, da verschwand sie schon wieder. Dabei hielt sie sich ganz in der Nähe auf, versteckt hinter dem rückwärtigen Vorhang des Zelts. Dort, in dieser dämmerigen, kaum einen halben Meter breiten Nische zwischen dem Vorhang und der Wand, saß sie zusammen mit Ádám Alvinczy. Von dort tauchte sie auf, wenn man schon allzu sehr ihren Namen schrie. »Da bin ich ja«, wiederholte sie mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt, blieb aber doch nur eine kurze Weile bei den anderen. Sie hatte Ernsthafteres zu tun, als diesen dämlichen Ladendienst zu verrichten. Sie musste Ádám trösten! Das allein erschien ihr wichtig.
Denn Ádáms Schwermut war schlimmer denn je. Eine Schwermut guter Art, über die sich lang, mit vielen schönen Worten klagen ließ: über seinen Liebeskummer wegen Adrienne. Die ihn keines Blickes mehr würdige, für ihn kein gutes Wort mehr finde. Man sehe sich das an, sie ziehe Onkel Ambrus vor, und ihn, Ádám, habe sie bei der Begrüßung kaum bemerkt. Oh, wie schrecklich! Dies war schon ein altes Thema, das die kleine Margit und Ádám Alvinczy gemeinsam abzuhandeln pflegten. Ein feines, ein schönes Thema. Sie setzten das Gespräch darüber auch jetzt fort, als sie beide, der langbeinige Ádám und die kleine, rundliche Margit, auf einer leeren Kiste nebeneinander saßen. Im engen Raum kamen sie nun einmal nicht darum herum, zusammenzurücken und sich die Arme um den Hals zu legen – sie umarmten sich nicht, keineswegs! –, dies geschah einzig aus Zwang, da sie sonst keinen Platz fanden. Und wenn sie, einander so nahe, miteinander flüsterten und ihre Lippen am Ohr des anderen haften blieben – das war kein Kuss, sondern purer Zufall, selbst wenn sie manchmal anstelle der Ohrmuschel den Mund des anderen streiften. Es gibt solche Zufälle, für die niemand etwas kann.
Den Hauptgegenstand bildete Adriennes Herzlosigkeit. Darüber hatten sie schon seit ihrem Treffen in Mezővarjas korrespondiert. In diesen Briefwechsel waren bereits Nebentöne hineingerutscht – dank Margitkas »mitfühlender Seele«. Über dieses Thema flüsterten sie sich nun wieder ins Ohr. O ja, sie sei ganz anders als ihre Schwester. Margitka kenne Erbarmen, Margitka könne mitfühlen und Ádáms Leid nachempfinden. Gutmütig und liebenswert sei sie. So liebenswert, dass Adrienne und Frau Körösi vergeblich nach ihr riefen, ja sie ahnten nicht einmal, dass sie, zusammen mit Ádám, hinter dem Stand saß. Die kleine Margit rührte sich immer seltener, um den Jungen in seinem so großen Leid nicht mutterseelenallein zu lassen. »Und das ist gut so«, würde die kleine Margit antworten, wenn sie jemand fragen sollte und wenn sie überhaupt eine Antwort gäbe.
Auch Róza Abády hatte auf dem Podium der Schirmherrinnen unter den alten Damen Platz genommen. Es galt als bemerkenswert, dass sie sich herbemüht hatte, denn gewöhnlich traf sie sich mit Fremden nur zu Hause und pflegte nirgends zu erscheinen. Doch da sie nun auch als eine »Lady Patroness« galt, wollte sie mit dabei sein. Gern war sie nicht gekommen, fühlte sich aber zum Erscheinen verpflichtet. Sie bereute denn auch, dass sie da war, denn die kleine, böse Tante Lizinka setzte sich zu ihr und suchte sie mit ihrer scharfen Zunge zu vergiften. Sie verbreitete Klatsch über Adrienne und die hübsche Frau Körösi, deren Zelt von Männern umschwärmt wurde. Und dies tat Frau Róza weh. Ihr Sohn war am Morgen angekommen. Sie sagte sich, dass er gewiss nicht zufällig gerade jetzt von Budapest losgekommen sei, wo eben auch diese Frau ihre Wohnung in Klausenburg bezogen habe.
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