Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Obergespan, gesellte sich zu ihnen, und auf seine wortlose Art tat er der kleinen Frau Professor schön, wie man das in Siebenbürgen nennt.
Ein merkwürdiges Bild. Die Damen mit hochgezogenen Beinen in festlichen Seidenkleidern auf dem Boden sitzend; neben und vor ihnen die eleganten Herren, unter denen die meisten als Zeichen der Knechtschaft einen Gegenstand bei sich trugen: Sie hatten ihn bei der Frau gekauft, der sie – ob im Ernst oder als Scherz – den Hof machten. Am häufigsten handelte es sich um Puppen, von denen es, obwohl sich Onkel Ambrus schon entfernt hatte, immer noch genug gab. Die kleinste Sorte baumelte als Quaste an Jóska Kendys Pfeifenrohr; je ein Puppenkopf lugte aus den beiden Taschen von Ádám Alvinczy, an Pityus Hals hing ein Riesenclown, während Abády seinen Kasperl neben sich gesetzt hatte. Auch auf der anderen Seite des Podiums verkündeten allerlei Puppen den Erfolg des Spielzeugstands. Baron von der Maultasch hatte sich ein Lebkuchenherz an seine Weste gesteckt, doch am seltsamsten präsentierte sich der kleine Kamuthy. Er war vornehm herumgeschlendert und irgendwie zur Post-Bude geraten. Die Frauen, die dort den Verkauf betrieben, entdeckten gleich, dass er gänzlich ein Engländer war.
»Wir glaubten, Sie seien Engländer«, so empfingen sie ihn. Schalkhaft ließen sie ihn »englöf, englöf, englöf« so lange wiederholen, bis er es in seiner geschmeichelten Eitelkeit litt, dass sie ihm die Stirn nach und nach mit Zehn-Fillér-Briefmarken vollklebten. Denn allen Siebenbürgern, ob Mann oder Frau, bereitet es stets Freude, jemanden zu verspotten. Das war auch jetzt nicht anders. Bis die Marken trockneten, hatte er schon vergessen, was mit ihm geschehen war.
Melodien erklangen pausenlos vom anderen Ende des Saals. Die Musik war laut genug, dass jene, die es wünschten, sich in trauter Zweisamkeit unterhalten konnten, und doch wieder so gedämpft, dass sich Anekdoten zum Besten geben ließen. Ákos, der Jüngste der Brüder Alvinzcy, führte das Wort. Er diente zurzeit in Küküllő als ehrenamtlicher Unternotar. Seinem Obergespan, Jóska, zollte er grenzenlose Bewunderung. Obwohl dieser kaum drei Schritt entfernt damit beschäftigt war, der kleinen Frau Körösi vielsagende Blicke zuzuwerfen, verkündete Ákos seinen Ruhm. »Gesta Dei per Jóskam«, so könnte der Titel seiner Geschichten lauten.
»Wir haben einen Praktikanten«, erzählte er, »der sich im Büro tagelang nicht blicken ließ. Der Obergespan schickte den Ausrufer in die Stadt, und dieser verkündete unter Trommelwirbel: ›Ein Praktikant ist verlorengegangen. Der ehrliche Finder, der ihn wiederbringt, erhält zehn Kronen!‹ Wie bei einem Kalb! Der Praktikant kehrte außer Atem ins Komitatshaus zurück, und seither rührt er sich nicht mehr weg.«
»Wir haben dort«, berichtete er weiter, »einen pensionierten österreichischen Offizier, einen Grundbesitzer. Er hat von einer staatlichen Maschinenfabrik eine Dreschmaschine gekauft. Solche Maschinen tragen aufgemalt das ungarische Wappen. Der Österreicher beschaffte sich irgendwo einen zweiköpfigen Adler aus Blech und ließ ihn über das ungarische Wappen nageln. Was tat hierauf Jóska? Er fragte bei dem Mann an, ob er über eine Bewilligung des österreichischen Kaisers verfüge, das Zeichen der Habsburger zu gebrauchen. Wenn ja, dann sei alles in Ordnung. Wenn aber nicht, dann habe man gegen ihn ein Verfahren zu eröffnen wegen ›unrechtmäßigen Besitzes eines fremden Wappens‹. Im Übrigen sei auszumessen, ob sich der Wasserbehälter zum Kessel nicht zu nahe oder nicht zu weit entfernt befinde, denn wenn es so sein sollte, dann werde er – gnadenlos! – das Dreschen für drei Monate verbieten.«
Jede Geschichte, da Ákos sie mit großem Gusto erzählte, zog lautes Gelächter nach sich. Einzig Kadacsay wurde beim Zuhören immer trauriger. Jóska war einst als allwissender Pferdekenner und Herrenkutscher sein Ideal gewesen. Er hatte bereits als Halbwüchsiger begonnen, ihn nachzuahmen, doch da er dann einsah, dass er die Fahrkünste des anderen beim Wagenlenken niemals würde übertreffen können, suchte er als Reiter die gleichen Vorzüge zu erreichen. Er lernte allerdings aus eigener Erfahrung, dass es nicht empfehlenswert war, von seinem Vorbild ein Pferd zu kaufen, doch zählte es eben beinahe als eine tolle Leistung, jemanden beim Pferdekauf übers Ohr zu hauen; später entdeckte er auch, dass eine übertriebene Gewissenhaftigkeit Jóska auch auf
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