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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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gespchochen?« Und ohne die Antwort abzuwarten, rief er wieder schrill zu Jóska hinüber: »Ich sehe wenigstens ein, dass ich ein Chindvieh bin!«
    »Wie meinst du das?«, fragte der Stummelpfeifen-Obergespan nun schon trocken. Der Wortwechsel nahm ernsthaft drohende Formen an. Baron Gazsi zögerte einige Augenblicke. Offensichtlich suchte er nach dem verletzenden Wort, um es Jóska ins Gesicht zu schleudern.
    Da trat unerwartet eine große, hagere Gestalt zwischen das Podium und Baron Gazsi, der in der Gesellschaft von Abády, der kleinen Dodó und Maultasch neben dem Verkaufsstand auf dem Boden saß. Es war Pali Uzdy; wie ein Turm, so wirkte er in seinem langen Reisepelz. Ohne sich um jemanden zu kümmern, postierte er sich vor seine Frau auf dem Podium, stellte seinen im Schnürstiefel steckenden Fuß auf die erste Stufe und sprach sie an: »Ich fahre jetzt nach Almáskő. Haben Sie einen Wunsch, liebste Adrienne, brauchen Sie etwas, was ich herschicken könnte?«
    »Sie fahren jetzt, mitten in der Nacht?«, wunderte sich seine Gattin.
    Die schrägen Brauen Uzdys rutschten ihm die Stirn hinauf. »Haben Sie sich noch nicht daran gewöhnt, dass ich jederzeit kommen und gehen kann?«, fragte er in seinem stets höhnischen Ton. »Mein Wagen wartet unten. Kein Wunsch also? Gut. Ich wollte bloß fragen. Nun denn, auf bald! Ich empfehle mich.« Und mit einer breiten Geste schwenkte er seine Biberpelzmütze. »Ich empfehle mich dem Wohlwollen der ganzen werten Gesellschaft!«
    Er drehte sich um, und mit den gleichen lautlosen, gemessenen Schritten, wie er gekommen war, verließ er den Saal. Als die Tür hinter ihm zuklappte, trafen sich die Blicke Adriennes und Bálints für einen Moment. Der kleine Kamuthy suchte die eingetretene Stille zu nutzen und zum früheren Thema zurückzukehren: »In Englönd«, erklärte er wichtigtuerisch, »brauchen die führenden Perfönlichkeiten nicht Fachleute zu fein. Man meint fogar, Fachkenntniffe feien nüchternen Urteilen abträglich …«
    »Na, deinen Urteilen werden sie nicht abträglich sein!«, rief Jóska dazwischen. Ihm kam es sehr zupass, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, denn es war ihm sehr zuwider, mit Gazsi in einen Ehrenhandel verwickelt zu werden. Alle freuten sich, zum scherzhaften Ton zurückzukehren. Alle lachten, orkanartig wurde aber das Gelächter erst, als Pityu Kendy Kamuthy zurief: »Wisch dir lieber all die Briefmarken vom Gesicht, denn am Ende wirft dich noch jemand in einen Briefkasten!« Worauf der kleine falsche Engländer sich an die Stirn griff und entsetzt aufschrie: »Oh my God! Um Gottef willen!« Und schmachvoll lief er hinaus.
    Sein Abzug veranlasste auch die anderen zum Aufbruch.
    »Es ist spät, Zeit, nach Hause zu gehen«, sagte jemand, und wie auf ein Zauberwort rappelten sich nun alle auf.
    »Erst jetzt, wo alles zu Ende ist, fühlt man die eigene Müdigkeit«, sagte Adrienne beim Weggang.
    Bálint blieb noch da. Es schien, als bemerke er nicht, dass Adrienne sich entfernte. Er hörte mit unverminderter Aufmerksamkeit Baron Udo zu, der ihm mit seinem pommerschen Deutsch etwas sehr Langfädiges, aber womöglich höchst Interessantes auseinandersetzte: »Das is man so, wie ich soeben Ihnen sagte, mein lieber Graf; bei uns und auch in Ostpreußen ist es wohl nich anders …« 58

III.

    In Adriennes Schlafzimmer war es beinahe stockdunkel. Eine einzige Kerze brannte; selbst diese hatte sie auf dem Boden in die Ecke gestellt, hinter eines der zwei Tischchen, die beidseitig neben dem Bett standen. Das solcherart verdeckte Licht zeichnete sonderbare Umrisse, es ließ die Tischbeine zu Riesengröße wachsen, indem es ihre Schattengestalt verlängerte und sie zugleich am Ansatz der Decke entzweibrach. Der Schatten, den das Bett warf, erfüllte das Zimmer erst recht mit Dunkel, als flute schwarzer Dunst im Raum. Das von unten durchsickernde spärliche Licht verlieh dem sonst recht banalen Gemach fast etwas Phantastisches. Da standen einige gepolsterte Stühle aus den sechziger Jahren, ein Schubladenkasten, wie sie sich zu Hunderten finden, ein nussholzgerahmter Standspiegel und ein Toilettetisch vor dem Fenster. Eine billige, verblichene Papiertapete klebte an den Wänden, sonst nichts. Es hätte den Eindruck eines mittelmäßigen Gästezimmers gemacht ohne das Bett, das anders war als all der Rest. Ein hölzerner Bettkasten fehlte. Weiche, elfenbeinfarbene Decken fielen auf allen Seiten hinunter und breiteten sich selbst auf dem Boden aus.

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