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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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anderen Gebieten nicht allzu sehr bedrückte. Immerhin, solange der andere bloß als Sportsmann handelte, ließ sich dergleichen übersehen. Als aber Jóska das Amt des Obergespans übernahm, bedeutete das für Kadacsay eine große Enttäuschung. Das aus den Flegeljahren stammende Ideal bekam nun Risse. Nach und nach begann er den Freund anders zu beurteilen, zumal sich in seinem eigenen Inneren ein neuer geistiger Hunger, eine bisher unbekannte Neugier und Sehnsucht regten. Das Gefühl überkam ihn allmählich, durch Jóskas Nachahmung sein Leben mit nichts und wieder nichts verbracht zu haben. Er war, obwohl ein begabter Junge, in der Schule ein sehr schlechter Schüler gewesen. Nach seinem Freiwilligenjahr blieb er beim Militär und führte das eintönige Leben weiter, denn Husarenoffiziere verbrachten damals ihre Zeit größtenteils mit Wettkampf-Ritten, Schlüsselbeinbrüchen infolge von Stürzen und mit dem Abrichten von Pferden. Nun entdeckte er langsam, dass ihm jegliche Kenntnisse fehlten. Er trat deshalb aus der Armee aus. Er kaufte sich Bücher und versuchte sich zu bilden, das Versäumte nachzuholen. Er las kreuz und quer alles Mögliche, vor allem aber philosophische Werke. Je mehr er jedoch las, desto zahlreicher begegnete er Problemen, über die er nachdenken und grübeln musste. Und dass er vieles verpasst hatte, schmerzte ihn umso heftiger. In seiner Seele erwachte Zorn gegen Jóska Kendy wegen der vergeudeten Zeit: Er hatte mit seiner Bewunderung mehr als zehn lange Jahre verschwendet. Diese Überlegungen rissen ihn mit besonderer Macht mit, wenn er, wie heute geschehen, etwas zu viel getrunken hatte.
    Ákos Alvinczy war schon dabei, eine neue Geschichte zu erzählen. »Wir haben einen Mann, Tódor Rácz, Besitzer eines mittelgroßen Landguts in einem abgelegenen Dorf. Ein tüchtiger Trinker, dazu ein leidenschaftlicher, aber sehr schwacher Kartenspieler, der natürlich immer verliert. Beim Färbelspiel ist er ein regelmäßiger Partner des Obergespans. Nach einem solchen Spiel bei Morgendämmerung sagte dann Rácz einmal, er stehe am Ende, er werde nie mehr kommen, denn in zwei Tagen sei bei ihm der Steuerexekutor angesagt. Seit etlichen Jahren habe er keinen Kreuzer an Steuern bezahlt, nun wolle man seine ganze Habe versteigern. Was tut darauf Jóska? Er lädt den Dorfschultheißen vor und befiehlt ihm, in der Ortschaft einen Cholerafall zu finden, an jedes zweite Haus einen roten Zettel zu kleben und um das Dorf einen Kordon zu ziehen. Folglich traf der Exekutor, als er am nächsten Tag ankam, am Dorfeingang auf Wächter, die, mit Prügeln bewaffnet, ihn ganz offiziell verjagten. Tódorka Rácz spielte aber noch am gleichen Abend mit uns Karten, und der Exekutor wagt es seither nicht mehr, seinen Fuß in das abgelegene Dorf zu setzen!«, beendete Ákos seine Geschichte unter allgemeinem Gelächter.
    Baron Gazsi hielt es nicht mehr aus. »Ich sehe da keinen Humoch«, sagte er mit seiner penetrant schnarrenden Aussprache, »am Ende ist dech Obechgespan doch nicht dazu da, die Steuechschuld seines Kamechaden pachteiisch in Schutz zu nehmen!«
    Was war in Gazsi gefahren? Bisher hatte er doch als Hauptspaßmacher gegolten, der nie auch nur ein einziges ernstes Wort aussprach. Abády allein erinnerte sich an den merkwürdigen, aber interessanten Vortrag, den Gazsi, auch damals leicht betrunken, in Mezővarjas über das niemals vorhandene Glück gehalten hatte. In diesem Mann bewegt sich etwas, dachte er. Alle anderen blickten Kadacsay überrascht an.
    Jóska Kendy glaubte, dies sei die Einleitung zu einem Scherz. Neben der kleinen Frau Körösi, wo er bisher so getan hatte, als höre er die vielen, für ihn schmeichelhaften Anekdoten nicht, rief er nun hinter seiner Stummelpfeife kurz angebunden hinüber: »Wenn die Reihe beim Regieren an die Einhufer kommt, kannst auch du Obergespan werden!« Dies war der Ton, in dem die beiden einander zu foppen pflegten.
    »Ich wechde das auf keinen Fall«, entgegnete der andere ärgerlich. »Ich übechnehme kein Amt, von dem ich nichts vechstehe. Wenn ich einmal ein Chindvieh bin, so bleibe ich auch ein Chindvieh.«
    »Eine bemerkenswerte Einsicht«, spottete Jóska.
    »Und selbst wenn man mich übech die Einhufech stellen wollte, wie du sagst, das heißt übech die Esel, so wäche das auch dann noch eine Pflicht und nicht bloß ein Witz.«
    Nun wandte er sich an Bálint, seinen Nachbarn: »Habe ich etwa nicht checht? Hast nicht du einmal übech solche Dinge

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