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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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In dem grauen, schäbigen Zimmer erschien dieses Bett als ein von außen hinzugekommener Fremdkörper. In der Tat gehörte dieses eine Möbelstück Adrienne, das Übrige war Eigentum ihrer Schwiegermutter. Dieses Bett war ebenso fremd im Salon wie die als Teppiche ausgelegten weißen Schafwolldecken mit der Unmenge verstreuter Seidenkissen vor der klafterbreiten Cheminée-Öffnung – dies inmitten der gemessen langweiligen Empire-Einrichtung.
    Alles, was Addy in die Wohnung hineingetragen hatte, war von nomadisierender, kurzfristiger Natur. Ein Kanapee in der Mitte des Zimmers. Kissen und Decken. Nichts anderes. Diese hatte sie mitgebracht. Nichts würde sich am Charakter der Wohnung ändern, nähme sie sie wieder mit, die Räume kehrten eher wieder in den ursprünglichen Zustand zurück. Ein Leben im Lager vor der Fortsetzung des Wanderzugs, so wie die Beduinen zwischen den Säulen antiker Tempel ihre Zelte aufschlagen.
    Dunkel zeichnete sich in den Kissen des Betts einzig Addys rabenschwarz aufgelöstes Haar ab, das sich auf beiden Seiten neben ihren Wangen wie eine ägyptische Perücke ausbreitete. Sie lag wach und wartete. Sie wusste und war sich gewiss, dass Bálint kommen würde. Sie hatten nichts abgemacht und nichts abmachen können, weil sich Uzdy bisher hier befunden hatte. Erst im Basar hatte er ganz unerwartet gesagt, dass er unverzüglich aufs Land verreise. Nur ihre Blicke kreuzten sich, und bloß für eine Sekunde. Aber das war genug. Was sonst? Nach so vielen Monaten. Nach der Durststrecke so vieler Monate.
    Eine lange, sehr lange Zeit. Seitdem sie von Varjas nach Almáskő zurückgekehrt war, hatten sie sich nicht mehr treffen können. Das war Anfang November gewesen, und nun schrieb man Ende März. Eine lange, sehr lange Zeit. Unendliche Tage, unendliche Nächte der Sehnsucht, der Erwartung. Schrecklich war es gewesen, voneinander losgerissen zu leben und nur hie und da einige Zeilen zu bekommen, da sie sich nicht einmal öfter schreiben durften aus Angst, es könnte auffallen. Schrecklich, an das Haus von Uzdy und der Schwiegermutter gekettet zu sein, wo sie sich nicht einmal als Gast, sondern als Gefangene vorkam. Schlimme Wochen voller Kümmernisse wegen ihrer kleinen Tochter, darüber hinaus aber auch Wochen des täglichen Kampfes gegen die alte Frau Uzdy, die ihr den Zugang zu ihrem Töchterchen zu versperren suchte, wie sie das seit der Geburt des Kindes schon immer getan hatte. Solange das Kind gesund war, tat ihr dies allmählich nicht mehr allzu weh. Nach den ersten Zusammenstößen hatte sie nachgegeben. Damals – vor bald acht Jahren – war sie noch sehr jung gewesen. Sie musste sich fügen. Nach und nach gewöhnte sie sich fast daran, dass man ihr das Kind weggenommen hatte; ein wenig erleichtert wurde ihr dies dadurch, dass das kleine Mädchen völlig anders war als sie selber und dazu anscheinend ganz gefühllos, als hätte nicht Adrienne sie auf die Welt gebracht. Doch diese Ergebenheit war zersprungen, als das Kind erkrankte und das Bett hüten musste. In jeder Frau steckt eine Krankenschwester. Dies ist eine der Formen, in denen sich mütterliche Gefühle offenbaren, und sie brachen sich bei ihr als tatsächlicher Mutter der Kleinen mit doppelter Kraft Bahn. Adrienne lehnte sich auf, als die Schwiegermutter gleich schon am ersten Tag von Klausenburg eine Rotkreuzschwester kommen ließ. Es kam zwischen ihnen zu einer bitterbösen Szene, die nicht mit lauten Worten, sondern mit hasserfüllt giftigen, glatten Sätzen ausgetragen wurde. Von ihrem Gatten erhielt sie keine Unterstützung. Er hörte ihnen mit spöttischer Miene stumm zu. Mag sein, dass er sich durch die beiden amüsiert fühlte. Die junge Frau trug den Sieg davon, aber ihr Triumph war nicht vollständig. Der Anteil, den man ihr bei der Pflege gewährte, war nicht größer als derjenige der Nurse oder des Rotkreuzmädchens. Und selbst diesen Teil, diesen untergeordneten Wirkungskreis, musste sie Tag für Tag verteidigen. Die alte Gräfin Clémence beobachtete jede ihrer Bewegungen, sie lauerte darauf, sie bei einem Versäumnis zu ertappen und deswegen von ihrer Enkelin wieder verbannen zu können. Beim Fiebermessen musste man die Ergebnisse in Tabellen festhalten, ebenso die Verabreichung von Medikamenten und alle Symptome der Krankheit, Stunden und Minuten waren mit gespannter Aufmerksamkeit zu beachten.
    Diese Sorgfalt, die jeden Augeblick ausfüllte, hatte vielleicht ihr Gutes. Sie nahm Adrienne in Anspruch, die Tage

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