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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Blumen sprießen und das Leben, die Zukunft neu beginnen sollten. Darauf bereitete sich die ganze Natur vor, darauf wartete sie; der nicht beschreibbare Duft der Fruchtbarkeit lag in der Luft. So zog Bálint die lange Promenade entlang, und wie er dahinschritt, klang für ihn nicht nur Hoffnung auf den Besitz der Frau mit, sondern auch der Satz, der ihm heute Nacht so unwillkürlich über die Lippen gekommen war: »Du hättest einen Sohn von mir …«
    Als er am Ende der Baumallee anlangte, entschied er sich, in der Altstadt einen weiteren Haken zu schlagen und den Weg zu seiner Wohnung durch die krummen, verwinkelten Gassen zu nehmen, um auf dem Hauptplatz nicht etwa einem Bekannten zu begegnen, der nach einer durchlumpten Nacht gerade heimkehrte. Er näherte sich eben der Einmündung der Híd-Gasse, als auf der Hauptstraße ein Vierergespann in fürchterlichem Tempo vorbeirasselte. Die Pferde waren schlimm bespritzt und schweißgebadet, das Verdeck und den Staubvorhang am Wagenschlag hatte man hochgezogen. Saß jemand drinnen, so war er nicht zu erkennen. Bálint hatte das Gespann aus beträchtlicher Entfernung wahrgenommen, und es war um die Ecke des Marktplatzes schon längst verschwunden, als er aus dem Gässchen zwischen den dunklen Häusern heraustrat. Wie eine Vision, so war ihm das Bild während eines Augenblicks erschienen. Er achtete nicht darauf, in seinem Kopf setzte sich bloß der flüchtige Eindruck fest, dass jemand nach einer langen Reise zu so früher Stunde in der Stadt angekommen war.

    Adrienne war tief eingeschlafen. Irgendwo ging eine Tür auf; wie wenn Licht ins Zimmer fiele. Dies weckte sie. Ihr Kopf ruhte noch auf den Kissen, als sie die Augen öffnete. Es war die Badezimmertür, die offen stand. Das Licht drang von dort ein. Und in der Tür, ihr gegenüber, stand Pál Uzdy in seinem langen, bis zum Absatz reichenden Pelzmantel, die Fellmütze auf dem Kopf. Dass er, der erst gestern spätabends aufs Land gereist war, nun da sein sollte, wirkte dermaßen unwahrscheinlich, dass die Frau zuerst zu träumen meinte. Doch der Arm des Mannes stieß vor, als zeige er auf sie, etwas blitzte vor seiner Faust, und dann krachten ein, zwei, drei Schüsse, so scharf wie Peitschenhiebe. Dreimal pfiff es über ihr vorbei, und zugleich schlug etwas an der Wand hinter dem Bett dreimal auf. Adrienne begriff im Bruchteil einer Sekunde, dass Uzdy in ihre Richtung geschossen hatte. Trotzdem – wie von Federn hochgeschleudert, setzte sie sich auf und wandte sich ihrem Mann zu, ohne sich darum zu kümmern, dass im Browning noch zwei Kugeln steckten. Sie befand sich genau in deren Bahn, sollte Uzdy auch die restlichen zwei Schüsse abfeuern. Sie kümmerte sich nicht darum. Mit erhobenem Kinn und weit geöffneten, trotzigen Augen blickte sie ihren Mann an. Sie sprach nicht, sondern behielt ihn nur im Blick. Die Zähne glänzten zwischen ihren fein geschwungenen Lippen, das pechschwarze Haar wallte wild schlängelnd um ihr Gesicht. Sie erwartete, dass die zwei letzten Kugeln ihr entgegenfliegen würden. In dieser Haltung starrten sie einander während einiger Augenblicke an. Dann aber senkte Uzdy den Arm.
    »Alle Ehre! Das heißt Courage! Das nenne ich wirklich Courage. Wirklich. Alle Achtung! 59 In der Tat …« Er steckte den Revolver in die Tasche. Und mit einer seltsamen Hüftbewegung, die seine schlaksige Gestalt zu zerbrechen schien, verbeugte er sich mehrmals in der Tür, und lachend wiederholte er noch fünf- bis sechsmal: »Wirklich, das lässt sich sehen … wirklich …«
    Sein Lachen glich dem eines bösen Bengels nach einem wohlgeratenen Streich.
    »Sind Sie völlig übergeschnappt?«, sprach ihn die Frau an.
    Doch Uzdy antwortete nicht. Er drehte sich um und zog die Tür hinter sich lautlos zu. Sein Lachen vernahm man auch noch von der anderen Seite. Für einige Minuten trat Stille ein. Dann ertönte vom Hof her das Geklapper von Hufen. Das Gespann war dabei zu wenden. Das Gerassel des Wagens setzte ein und erstarb rasch. Nun herrschte wieder Stille. Uzdy war fort. Adrienne verharrte lange in sitzender Stellung im Bett. Ihr Herz begann erst jetzt heftig zu schlagen, wo für sie jede Gefahr schon vorbei war. Das Herzklopfen wurde heftiger, es schlug ihr bis zum Hals. Sie fragte sich jäh, ob Uzdy nun wohl vorhabe, zu Bálint zu fahren und die beiden im Revolver verbliebenen Kugeln dort zu benutzen.
    Sie sprang aus dem Bett. In ihrem dünnen Nachthemd lief sie hinüber in den benachbarten kalten Salon und

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