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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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heiraten?!« rief die Mutter aus. »Das wäre für mich die größte, die allergrößte Freude. Erzähle doch, erzähle rasch, ich habe dich ja nie bedrängt und doch so lange darauf gewartet!« Ihre leicht vortretenden, hellen Augen hefteten sich auf den Sohn, und mit ihren kleinen, dicklichen Fingern ergriff sie Bálints Hand.
    »Ja. Ich denke darüber schon lange nach. So mit diesem Leben geht es für mich nicht weiter. Seit Jahren liebe ich eine Frau …«
    »Eine Frau! …«, entsetzte sich die Mutter und ließ auf dieses Wort hin die Hand des Sohnes los, stieß sie beinahe zurück und rückte von ihm weg.
    »Ja. Du weißt es ja vielleicht. Adrienne Milóth. Wir lieben einander seit vielen Jahren.«
    Gräfin Rózas Freude hatte sich so jäh in Entrüstung gewandelt, dass sie kaum Worte fand: »Die … diese … diese Person … die nicht! Nein!« Sie rang fast nach Atem, wie sie stets das Gleiche wiederholte.
    »Schau, Mama. Ich liebe sie unendlich. Ich habe nie eine andere geliebt und werde nie eine andere lieben. Keine. Ich schwöre es dir. Und sie, auch sie liebt mich …«
    Die alte Frau ließ ein verletzendes Gelächter hören. »Sie liebt dich? Das allerletzte Weibsstück ist sie! … Du glaubst ihr, weil du solch ein Esel bist … ja, solch ein Esel!« Und in Sekundenschnelle rasten all die Verleumdungen durch ihren Geist, mit denen Lizinka und die Haushälterinnen sie gefüttert hatten: Onkel Ambrus, Ádám Alvinczy, Pityu und die Namen all der anderen, derentwegen Adrienne abwechselnd in Verruf gebracht wurde.
    Bálint spürte, wie die Adern an seiner Stirn anschwollen. Er suchte sich zwar zu zügeln, seine Stimme klang aber doch ein wenig trocken, als er einwarf: »Wie sehr sie mich liebt, das weiß ich allein. Und das geht einzig mich etwas an.«
    Mutter und Sohn blickten einander einen Augenblick lang starr in die Augen. Bálint sprach dann – langsam, mit Nachdruck: »Ich bin entschlossen, sie zu heiraten, sobald sie die Möglichkeit bekommt, sich scheiden zu lassen.«
    Die alte Frau tat nun, was sie noch nie getan hatte: Sie sprang auf und schlug mit der kleinen, dicken Faust auf den Tisch.
    »Das werde ich niemals erlauben! Nein! Nie, niemals!«
    Dann, als wäre es ihr peinlich, dass sie sich hatte hinreißen lassen, ging sie hinüber zum Fenster, setzte sich an den Schreibtisch und blickte wortlos vor sich hin. Ihre Augen funkelten vor Zorn.
    Bálint begann Argumente aufzuzählen. Er wiederholte das zuvor Gesagte, erzählte über seine und Adriennes Liebe. Er versuchte, herzlich und dann wieder demütig zu sprechen, da er die zur Tyrannei neigende Natur der Mutter wohl kannte.
    Da er sich bewusst war, wie sehr sie die Traditionen ehrte, berief er sich auf den Großvater väterlicherseits, der ebenfalls eine geschiedene Frau geheiratet hatte. Dies könne man weder als einen Fehler noch als eine Schande betrachten. Sie alle seien ja reformierten Glaubens. Er führte aus, dass er mit keiner anderen zusammenleben könnte, dass es für ihn keine andere Frau gebe, geben könne und je geben werde. Doch das hartnäckige Schweigen der Mutter reizte ihn. Nach und nach gab er den bisher beschwörenden Ton auf. Seine Worte verhärteten sich.
    »Ich bin schließlich kein Kind mehr, sondern volljährig. Ich habe das Recht …«
    »So? So? Auf dergleichen berufst du dich?«, fiel ihm die Mutter ins Wort, und sie erhob sich. »So weit sind wir also gekommen!« Ihre untersetzte Gestalt richtete sich auf, und sie musterte den Sohn streng. »Solche Dinge sagst du mir, du hättest das Recht. Nun denn, gut. Tue, was du willst. Aber auch ich sage dir etwas: Solange ich lebe, wird diese Frau ihren Fuß nie und nimmer in mein Haus setzen. Verstehst du? Niemals. Und jetzt geh! Ich habe mit dir nichts mehr zu bereden.«
    Bálint suchte sie wieder zu beschwichtigen: »Aber liebste Mama, sag nicht solche Dinge …«
    »Nein. Geh! Genug gesprochen! Geh!«
    Bálint wollte, bevor er sich verzog, ihr die Hand küssen, aber sie ließ es nicht zu. Und mit ihren zurückgekrümmten dicken Fingern wies sie ihm die Tür.
    So, mit dem befehlend ausgestreckten Arm, blieb sie stehen, bis die Tür hinter ihrem Sohn ins Schloss fiel. Dann aber sackte sie jäh zusammen. Sie beugte sich über den kleinen Schreibtisch und weinte lange und lautlos; das Gesicht vergrub sie zwischen den verschränkten Armen, um nichts zu sehen und nichts zu hören. So weinte sie lange und allein, wie einst während der unheilbaren Krankheit ihres Mannes. Sie

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