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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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pachten.
    In der versammelten Gesellschaft trat nun beinahe gleichzeitig an beiden Enden Verwirrung ein. Auf der Straße, die von Tarcsa herführte, kam Jóska Kendy mit seinem niedrigen, an der Leiste hart beschlagenen Fuhrwerk; mit der Peitsche knallte er gewaltig hinter den vier entfesselt rennenden Schimmeln. Wie der Wirbelwind, so raste das Gefährt mitten in die herumstehende oder friedlich schreitende Masse von Reitern hinein, manche fanden kaum Zeit, zur Seite zu springen, dann beschrieb das Vierergespann eine Kurve zur Hauptstraße, und vor Onkel Ambrus’ Tisch blieb es auf einen Pfiff jäh stehen, als wären die vier Pferde aus Stein gemeißelt. Noch einmal holte er mit der Peitsche neben dem Riemenpferd zu einem Knall aus, der wie ein Gewehrschuss tönte, doch die Pferde rührten sich nicht, sie wussten, dass er nicht ihnen galt, sondern als Zugabe bloß noch ein Scherz sein sollte.
    Jóska, die Stummelpfeife im Mund, rief herab: »Und mir, warum bietet mir niemand etwas an, wenn ihr hier schon eine Schenke betreibt?« Mit seinen kleinen, scharfen Augen musterte er dann die Runde, mit einem Blick prüfte er alle Pferde auf der Wiese, denn er war nicht wegen der Frauen gekommen; als gewiefter Rosstäuscher wollte er vielmehr wissen, wo was für Pferde vorhanden waren, die auf die eine oder andere Art für einen Handel vielleicht in Frage kommen könnten. Er hatte niemanden bei sich außer seinem Kutscher, der nun vom hinteren, von Riemen gehaltenen Sitz heruntersprang und sich vor die Pferde hinstellte. Die andere, womöglich noch stürmischere Erscheinung überfiel die Wartenden auf der nördlichen Seite.
    Zehn schrecklich wiehernde Hengste trabten vom Hubertus-Heim her an. Sie füllten die Landstraße in ihrer ganzen Breite aus. Ihre Reiter waren Husarenoffiziere von Szamosújvár. Vielleicht achteten sie darauf, in militärischer Ordnung anzukommen, weshalb sie wie bei einer Parade nebeneinander ritten. Ihre Reitpferde waren aber Deckhengste aus staatlichem Besitz, die – jährlich dreißig Stück – der Landwirtschaftsminister dem Jägerverein auszuleihen pflegte, damit man sie im Gelände erprobte. An gewöhnlichen Jagdtagen brachte man nur drei bis vier, jedoch nicht gleichzeitig, sondern mit einem Whip oder dem einen oder anderen Jäger im Sattel. Auch da kam es vor, dass ein Hengst verrückt spielte, aber dann ritt man mit ihm seitlich oder an der Spitze. Jetzt aber stampften sie zusammen in einer Reihe mitten in die Menge begehrenswerter Stuten hinein, und da sie dazu auch noch die Nähe der Nebenbuhler fühlten, vollführten sie ein unbändiges Spektakel. Jeder wollte den Nachbarn überbieten, sie bäumten sich auf, brüllten, suchten auch gegeneinander auszuschlagen, und auf alle Arten bezeugten sie ihre für die Vaterschaft vorzügliche Beschaffenheit.
    Das nun war ein Fall von anderer Art als Jóskas Vierergespann, denn diesem musste man bloß eine Gasse öffnen. Vor diesen Ankömmlingen aber galt es zu flüchten. Denn diese laute Art der Werbung bleibt bei mancher willigen Stute nicht ohne Wirkung, und die Hengste wiederum verabscheuen gewöhnlich die geschnittenen Pferde. So viele Reiter es gab, in so viele Richtungen sprengten sie davon, doch die Offiziere kümmerten sich nicht darum. Sie blieben weiterhin in einer Reihe, vollführten auf der Wiese eine »Abdrehbewegung«, und so wild sich die Pferde unter ihnen auch gebärdeten, sie saßen, tadellos ausgerichtet, in vorschriftsmäßiger Haltung im Sattel. Doch kaum hatte sich der Staub verzogen, kaum sich die Menge beruhigt, da traf schon die Hundemeute ein.
    Der Master, der alte Béla Wesselényi, führte sie. Er war der Schöpfer, die Seele der Meute und der Jagd. Er saß auf einem wunderbaren, hohen Vollblutpferd mit dunkler Mähne. Die kurzen Bügelriemen ließen seine ohnehin gedrungene Gestalt noch kleiner erscheinen. Seine rote Jacke war vor Alter rosenfarbig ausgebleicht, und sie stammte, kurzgeschnitten, wohl noch aus den sechziger Jahren, als diese Mode geherrscht hatte. Sein dunkel gebranntes Gesicht, sein weißer Schnauz und sein Kaiserbart leuchteten unter der schwarzen Samtmütze. Um ihn herum die Spürhunde. Die gescheckten Hunde mit den großen Ohren drängten sich alle um sein Pferd, manch einer blickte auch zu ihm hinauf, als wolle er sich vergewissern, dass er mit ihnen war. Denn für sich allein ist der Hetzhund ganz unbeholfen. Seit unzähligen Hundegenerationen lebt er in der Masse und stets unter menschlicher

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