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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Aufsicht. Nie ist er allein, und wenn einer sich verirrt, geht er leicht ganz verloren, vielleicht nur darum, weil er dermaßen erschrickt darüber, dass kein anderer Hund und kein Mensch mehr mit ihm ist. Verdrängt wird diese Abhängigkeit einzig von seiner Jagdleidenschaft.
    Hinter der Meute, ein wenig seitwärts und weiter hinten, trabte István Tisza, der stellvertretende Master in Zsuk. Er trug eine dunkelgrüne, beinahe schwarze Jacke, die gut zu seinem dunklen Gesicht passte.
    Sein selber gezüchtetes Pferd, obwohl es nahezu sechzehn Faust hoch war, konnte man für viel kleiner halten, denn er war im Gegensatz zum alten Master nicht nur ein stämmiger Mann, sondern er benutzte auch sehr lange Steigbügelriemen, wie die Reiter der Hohen Schule. Seine Sitzhaltung änderte sich nie, ob der Ritt im Gelände, ob er über Hindernisse führte – er verharrte gleichmäßig aufgerichtet und blieb stets ruhig.
    Weiter hinten folgten zwei gentleman-whips: Gazsi Kadacsay und Áron Kozma junior. Der junge Kozma war ein Enkel jenes Kozma, der in Róza Abádys Kindheit in Dénestornya als Gutsverwalter gedient hatte. Auch er hatte bereits Landbesitz erworben. Die Eintracht und die ehrliche Arbeit der zweiten Kozma-Generation brachten sie weiter vorwärts, alle nahmen an Wohlstand zu; sie kauften die Äcker der alten Gutsbesitzer auf, die an ihrer Herrschsucht und Nichtstuerei zugrunde gegangen waren, und führten Flurbereinigungen und Verbesserungen durch. Auch die Jüngsten galten als arbeitsam, aber entsprechend ihrem Vermögen stand es ihnen nun offen, auch ihre Passionen zu pflegen, an den öffentlichen Angelegenheiten Anteil zu nehmen, sich am gesellschaftlichen oder sportlichen Leben zu beteiligen. Áron junior hatte sich in der genossenschaftlichen Bewegung Bálint angeschlossen, er galt im Landkreis auf der Siebenbürger Heide als seine rechte Hand. Nun würde er hier, in Zsuk, an vier Tagen bei der Jagd mitmachen, hernach aber noch nachts mit der Kutsche auf sein Gut im Bezirk Teke zurückfahren – wohl achtzig Kilometer weit –, um drei Tage später am Abend nochmals hierher zurückzukehren und am Morgen wieder mit dabei zu sein. Er war ein schmaler, braunhaariger Mann mit dem fein geschnittenen, türkisch anmutenden Gesicht des Krimtataren.
    Baron Gazsi saß auf einer Vollblutstute seltsamer Herkunft, die noch auf der Höhe der Rennkondition stand; ihr hochgezogener Bauch gemahnte an einen Windhund, und keinen Tropfen Fett gab es unter ihrer Haut. Es war erst zwei Monate her, dass Gazsi das Pferd direkt auf der Rennbahn gekauft hatte. Er bezahlte einen Spottpreis für »Honeydew« – das heißt Honigtau –, doch diesen süßen Namen verdiente ihre Gnaden keineswegs. Es war ein dermaßen nervöses und bösartiges Tier, dass die Trainer trotz seinen beträchtlichen Fähigkeiten nichts mit ihm anzufangen wussten. Es hatte Fälle gegeben, dass die Stute, sofern sie sich überhaupt zu rennen anschickte, mitten im Lauf stehen blieb und ihren Reiter blitzschnell hinunterwarf. Hundertmal bockte sie wie die Cowboy-Pferde bei Barnum, oder sie wälzte sich auf dem Boden. Einen Jockey hatte sie bereits umgebracht und zweie zu Krüppeln gemacht. Kadacsay hatte sie natürlich aus Passion gekauft und war nun dabei, sie mit großer Pferdepsychologie zu zähmen. Auch jetzt saß er auf der Stute wie auf einem rohen Ei.
    Er hielt sie flaumleicht, eigentlich gar nicht im Zaum, sondern lenkte sie durch die bloße Berührung. Und es wirkte in der Tat wundersam, wie sehr die Stute diese feine Behandlung honorierte. Nachdem sie in der ersten Zeit Gazsi zumindest zweimal in den Staub geschleudert hatte, wurde sie allmählich zahm. Kadacsay erfüllte dies mit viel Stolz. Nun war er schon so weit gekommen, dass er auf ihrem Rücken als Whip aufzutreten wagte, und »Honeydew« hatte begriffen, dass die Hetzpeitsche nicht ihr galt, sondern den Spürhunden in der Meute. Beim Peitschenknall hob sie manchmal den Hintern – gleichsam als Protest. Doch Gazsi pflegte sich in solchen Momenten im Sattel aufzurichten, als ob er, von Höflichkeit geleitet, dem Pferd das Bocken erleichtern wollte. Und »Honeydew« setzte ihre Bocksprünge tatsächlich nicht fort; vielleicht meinte sie, es lohne sich nicht, böse Streiche zu vollführen, wenn sie auf keinen Widerstand stoße. Die Ohren allerdings trug sie fortwährend gesenkt, dieser Gewohnheit aus dem früheren Leben blieb sie treu, und wenn hinter ihr irgendein Pferd in die Reichweite ihrer Hufe

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