Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
wieder dem diskutierenden Kreis an. Mit wohlformulierten Sätzen umschrieb er seine Meinung. Gegenüber der Bankenkommission verteidigte er Kossuths Standpunkt. Die Kartellbank nannte er einen ersten, weisen Schritt. Er fand ergreifende Worte zur Unterstützung des damals krank darniederliegenden Parteiführers. Er diente seinem Herrn in der Tat tüchtig. Solange sie zuhörten, stimmten ihm sogar Jusths Anhänger zu. Sätze, die in ihrer Schönheit zu Tränen rührten, rollten aus seinem Mund, melodiös brausend wie Orgelspiel. Denn er war ein mächtiger Gebieter der Worte. Und was ihn auch bedrückte, welche Sorgen ihn auch belasteten, seine Rednergabe war stets bereit, ein vorzüglich beherrschtes Instrument, mit dem er nach Belieben etwas vorzuspielen verstand.
Dabei hatte er neuerdings recht viele Sorgen. Das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Klienten war seit der Komitatsversammlung in Vásárhely erschüttert. Er verwaltete seit Jahren das Vermögen unzähliger Leute. Die meisten Besitzer von Gütern dem Maros entlang verließen sich auf seine Ratschläge, sie vertrauten ihm ihre Wertpapiere oder ihr Bargeld an. Nie hatte jemand seine Abrechungen in Zweifel gezogen, nie jemand danach geforscht, wo das Geld angelegt war. Das hatte sich jetzt ganz plötzlich geändert. Er wurde bestürmt. Tag für Tag erhielt er Briefe, und während die einen die Lage nur höflich abzutasten versuchten, wollten andere schon Zahlen sehen und stellten Forderungen. Es kam auch vor, dass andeutungsweise das Strafgesetzbuch ins Spiel gebracht wurde.
Er tat in erster Linie, was er bisher schon getan hatte. Mit dem Geld des einen zahlte er den anderen aus. So hatte er es während vieler Jahre gehalten, aufrichtig überzeugt, dass er das, was er anderweitig verbrauchte, dank seinen reich bemessenen Honoraren leicht würde ersetzen können. Das hatte bisher tatsächlich geklappt. Jetzt aber bedrängten ihn plötzlich alle zur gleichen Zeit. Und das war übel.
Übel, weil er über gar kein Sparkapital verfügte. Was ihm seine Praxis eintrug, das – und sogar mehr – gab er immer aus. Auch seine Familie kostete viel. Seine Gattin führte in Vásárhely ein großes Haus, aber noch größere Summen verschlangen seine Aufenthalte an ausländischen Kurorten, in Deauville oder Biarritz, wo er als alleinstehender Mann seinen Sommerurlaub zu verbringen pflegte. Da gab es auch schöne Frauen. Schöne, aber teure. Und jetzt noch Dinóra. Er kaufte für sie Möbel, eine Wohnung, Geschenke. Er gab vor, dass die Einkünfte aus dem Gut von Marosszilvás diese Ausgaben deckten. Dinóra stellte im Übrigen kaum Fragen, sie freute sich bloß über alles. Viel Geld rann ihm auf solche Weise durch die Finger. Von den hunderttausend Kronen, die er drei Wochen zuvor bekommen hatte, war auch nichts mehr vorhanden, die ganze Summe hatte er darauf verwendet, reklamierenden Klienten das Maul zu stopfen. Doch das reichte keineswegs, es waren immer noch viele da, und immer mehr meldeten sich. Einigen hatte er sogar Wechsel übergeben …
Nachdem er mit seiner Beredsamkeit die Anhänger einer unabhängigen Bank überzeugt hatte, verließ er das Parlament. Er machte sich auf den Weg zu Dinóra. Gewöhnlich nahm er das Mittagessen bei ihr ein, obwohl er noch drüben, in Buda, wohnte. Aber nicht mehr lange. Er hatte im gleichen Haus die oberste Wohnung gemietet, die unerwartet leer geworden war. Er würde, sobald er zum Einrichten Zeit fände, dorthin umziehen, aufs Stockwerk über der Wohnung der Frau.
Die Distanz vom Parlament zur Személynök-Straße ist kurz. Es sind einige hundert Schritte, und Boros fasste auf diesem Weg einen Beschluss. Abády war ihm ausgewichen. Das durfte er nicht dulden. Er musste ihn stellen und zwingen, ihm vor den Augen aller die Hand zu schütteln. Tut er es, dann ist’s gut, das wäre eine öffentliche Genugtuung. Wenn nicht, dann stünde es ihm frei, ihn zu fordern. Das wäre noch besser! Ein ernsthaftes Duell ist eine Lösung für vieles. Nach dem Freispruch etwa, den die Anwaltskammer gefällt hatte, herrschte während einiger Wochen Stille. Das würde sich wiederholen, wenn er Abády totschießen sollte. Die Leute sind feige. Und wenn das Umgekehrte geschieht? … Auch das wäre eine Lösung.
In der Halle des Mietshauses läutete er nach dem Liftführer. Im Aufzug zählte er die Stockwerke: Ein Knattern meldete, wenn sie die einzelnen Etagen passierten … zwei, drei, vier, fünf. Er würde im sechsten Stock wohnen. Eine
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