Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Gruppe bedeutete dies einen riesigen Erfolg. Sie zögerte denn auch nicht, ihren Triumph auszukosten.
Holló, Barra und ihre Leute schritten durch den Korridor wie siegreiche Feldherren. Der Boden unter ihren Füßen dröhnte nur darum nicht, weil er mit einem dicken Teppich ausgelegt war. Die Regierung war gestürzt. Einzig wegen der außenpolitischen Krise konnte sie noch nicht zurücktreten.
Abády geriet in diese Atmosphäre, als er sich im Abgeordnetenhaus einstellte. Die Siegestrunkenheit des Korridors fand er unerträglich. Er begab sich lieber in den beinahe leeren Parlamentssaal. Kaum eine halbe Stunde war er da neben Isti Kamuthy gesessen, der ihn mit seinen lispelnd vorgetragenen, von englischen Beispielen wimmelnden politischen Gemeinplätzen langweilte, als er bemerkte, dass durch die äußerste Tür links auf der anderen Seite Zsigmond Boros den Saal betrat und in die Runde blickte. Der Gedanke ging ihm sogleich durch den Kopf, dass der andere ihn suche. Und tatsächlich, er steuerte mit langsamen, gravitätischen Schritten auf ihn zu.
Bálint nahm seine Uhr hervor und wandte sich an Isti.
»Ach, ich muss ja gehen! Servus!«, sagte er jäh, drehte ihm den Rücken und ließ ihn allein, was ihm der kleine, pausbackige Isti schrecklich übelnahm, war er doch erst in der Mitte eines überaus klugen Satzes angelangt.
III.
Gleichen Tags am späten Nachmittag sprachen bei Bálint zwei Abgeordnete vor. Es waren bekannte Duell-Sekundanten, die in Ehrenhändeln im Parlament ständig zum Zug kamen. So hatten sie auch beim Duell eine Rolle gespielt, in dem der alte Keglevich niedergestochen wurde.
»Wir sind«, sagte der Ältere, »im Auftrag unseres Freundes Zsigmond Boros gekommen, um Satisfaktion zu fordern. Unserem Freund ist aufgefallen, dass Sie, Herr Graf, sich mit beleidigender Absicht entfernten, als unser Freund Sie heute Vormittag begrüßen wollte. Dies kam, wie unser Freund sagt, nicht zum ersten Mal vor, aber er war bisher nicht sicher, ob Ihr Benehmen vorsätzlich sei. Heute jedoch geschah dies dermaßen auffallend, dass jeder Zweifel ausgeschlossen ist.«
Bálint erwiderte frostig: »Meines Wissens gehe und komme ich, wann es mir beliebt.«
»Zweifellos. Aber unser Klient kann der berechtigten Ansicht sein, dass es für ihn eine Beleidigung bedeutet, wenn sich jemand von einem beliebigen Ort seinetwegen entfernt.«
Nun meldete sich der andere Sekundant zu Wort: »Wir könnten uns nur damit zufriedengeben, wenn Sie, Herr Graf, in feierlicher Form erklären, dass Sie Dr. Zsigmond Boros nicht absichtlich aus dem Weg gegangen sind und dass Sie ihn hochschätzen, ferner wenn Sie ihn sowohl vor Zeugen als auch schriftlich um Verzeihung bitten.«
Bálint lachte hell auf. »Für die Bitte um Verzeihung sehe ich wirklich keinen Grund. Indessen«, fuhr er nun schon ernst fort, »ist es am klügsten, wenn Sie sich mit meinen Sekundanten zusammensetzen. Wo sind Sie, meine Herren, morgen früh zu finden? Denn ich weiß nicht, ob ich schon heute Abend Namen nennen kann.«
»Von zehn Uhr an im Parlament.«
Die zwei verabschiedeten sich kühl.
Welch dumme Geschichte, dachte er, welch dumme Geschichte. Es musste wohl auffallen, dass er heute den Saal so plötzlich verließ. Das war ungeschickt, aber er hatte nicht anders handeln können. Und dann sagte er sich, dass Boros’ Verhalten, die Tatsache, dass er sich mit einer simplen Erklärung nicht begnügte, sondern aus ihm gleich ein Leumundszeugnis herauspressen wollte, sein Ziel offenbarte: Er suchte dadurch mehr zu erreichen als nur eine normale Erledigung des Falles. Doch nun musste er sich nach Sekundanten umsehen. Wen wohl sollte er ansprechen? Politiker wünschte er nicht zu wählen. Das war keine politische Angelegenheit.
Ihm schien, er müsste jemanden aus Siebenbürgen finden. Jemanden, der ernsthaft genug war, keinen Fehler beging und zu Hause als angesehen galt: »Möge die Sache doch unter uns bleiben!«
Sein Reisegefährte, Ádám Alvinczy senior, fiel ihm ein. Ja, er wäre vorzüglich! Er hatte bereits in zahlreichen Ehrenhändeln eine Rolle gespielt und immer sehr umsichtig gehandelt. Ein Genie war er wohl nicht, dafür ein Mann von nüchterner Vernunft. Von ihm, dem Vater des Abgeordneten Farkas Alvinczy, der zur Unabhängigkeitspartei gehörte, ließ sich auch nicht sagen, dass seine Beteiligung eine politische Färbung habe.
Er beauftragte den Hotelportier, Alvinczys Adresse ausfindig zu machen. Nach einer halben Stunde meldete
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