Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
nicht«, wandte Alvinczy mild ein. Ihm missfiel dieser Dialog; mit seinen langen Gliedern war er auf dem Stuhl schon von Anfang an hin und her gerutscht. »Wenn er einmal nicht will … Das geht uns nichts an.«
»Und ob!«, fiel ihm Absolon ins Wort und fletschte die glänzenden Zähne, als er seinen Nebenmann anblickte. »Wenn unser junger Freund Ursache hatte, nicht zu grüßen, dann – jawohl! – müssen wir sie kennen. Oder ließest du es zu, dass er ein ernsthaftes Duell austrägt gegen einen Mann, der dessen nicht würdig, der vielleicht gar nicht satisfaktionsfähig ist? Stell dir vor, man würde ihn totschießen, und hernach käme so etwas ans Tageslicht? … Ein Versäumnis ohnegleichen und eine schwere Verantwortungslosigkeit unsrerseits.«
Bei der Erwähnung der Verantwortung knickte der andere ein.
»Verzeihung … du hast recht, völlig recht …« Und von diesem Augenblick an war schon Absolon obenauf, er führte die Verhandlung nach eigenem Gutdünken. Bálint musste antworten.
Folglich erzählte er nun – wenn auch nur in groben Zügen –, dass er seit der Versammlung in Vásárhely Zuschriften über viele unschöne Machenschaften von Boros erhalten hatte. Der überwiegende Teil sei wohl nur Gerede, aber es gebe auch manches, das zweifellos zutreffe. Deshalb habe er ihm die Hand nicht drücken wollen, dabei allerdings nicht die Absicht gehegt, ihn zu beleidigen. Es tue ihm leid, dass Boros sein Verhalten bemerkt habe. »Ich werde mich aber eher schlagen«, sagte er, »als dass ich mit solchen Geschichten herausrücke. Ich will ihn nicht hinrichten, zumal ich da in einer seltsamen Rolle dastünde. Man würde meinen, ich suche meine Haut zu retten, indem ich auspacke.«
»Du schießt dich lieber mit einem Schwein? Denn dass er ein Schwein ist, das wissen wir beide.«
»Ja, viel lieber. Darum bitte ich dich, Onkel, von dem Gesagten keinen Gebrauch zu machen.«
»So? Wirklich?«
Eine kurze Pause trat ein. Bálint und Absolon blickten einander starr und sehr ernst in die Augen. Dann brach der Asien-Mann in Gelächter aus. »Nun gut. Daran wollen wir uns halten.«
Doch jetzt lehnte sich Alvinczy auf: »Verzeihung, aber da kann nun ich nicht mehr mitmachen … Das widerspricht allen Regeln …« Und er begann auseinanderzusetzen, dass ihnen, sofern sie ihre Gründe nicht preisgäben, keine andere Wahl bleibe, als ihren Klienten den Pistolenkugeln auszusetzen. »Das darf nicht sein, das nicht!«
Absolon jedoch quittierte all das bloß mit einem überlegenen Lächeln. Er erhob sich. Die kurze Krücke presste er als Stütze an seinen Oberschenkel, und die andere Hand legte er freundlich um die Schulter seines Begleiters. »Ich werde es dir erklären.« Dann wandte er sich an Bálint: »Und du kannst beruhigt sein, ich werde die Sache gemäß deinem Wunsch erledigen. Nicht wahr, so viel kann ich sagen, dass du nicht die Absicht hattest, ihn zu beleidigen?«
»Ja, das ist richtig.«
»Gut denn. Überlass du das andere mir.«
Bálint blieb allein. Er ärgerte sich nicht wenig. Nun bereute er sehr, letzte Nacht nicht seinen Instinkten gehorcht zu haben, die ihm flüsternd geraten hatten, gegen die Teilnahme des alten Absolon zu protestieren. Gegen den Mann, der die Angelegenheit in ganz andere, von Bálints Absichten abweichende Bahnen lenken würde. Bestimmt wird er alles im Licht der Streitigkeiten im Maros-Gebiet sehen und mit seinem scharfen Verstand den guten, alten Alvinczy nach Belieben herumkriegen. Doch nun konnte er, Bálint, nichts mehr unternehmen. Eine Wahl nur stand ihm offen: Er würde die Dokumente nicht benutzen. Sollte Absolon sie verlangen, dann ließe sich sagen, es gebe sie nicht mehr, er habe sie verlegt. Der Form nach wäre das sogar zutreffend. Die Akten der Holz-Firma hatte er zurückgegeben, Tamás Laczóks Brief ins Feuer und die anderen Zuschriften in Dénestornya in eine Schublade geworfen. Die Letztgenannten waren ohnehin keinen Pfifferling wert. Diese Überlegung verschaffte ihm etwas Ruhe.
Die Sekundanten der zwei Parteien trafen sich noch am gleichen Abend in einem Sondersaal im Nationalcasino.
Abádys Vertreter erklärten, dass ihr Klient keine beleidigende Absicht gehegt habe. Sie seien bereit, dies zu Protokoll zu geben. Damit sei ihrer Ansicht nach alles geregelt. Boros’ Sekundanten widersprachen höflich, und schließlich willigten sie ein, vor der Erteilung einer Antwort ihren Auftraggeber zu konsultieren. Am Ende sollte ja er die Entscheidung treffen.
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