Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
seine Sache, Boros hinzurichten, wo er doch Dinóra versprochen hatte, ihm nichts anzutun? Oder sollte er zusehen, wie die Dinge ihren Lauf nahmen? Am Ende hatte der alte Absolon die Gefahr auf sein eigenes Haupt selber heraufbeschworen, er, Bálint, hatte das nicht gewollt, das Ganze ging ihn nichts an.
Aber war es ihm erlaubt, sich abseits zu stellen? Zu verschweigen, was er wusste? Hatte er nicht den zwei anderen dargelegt, weshalb er sich weigerte, Boros die Hand zu geben? Zwar traf es zu, dass er weder Frankel noch einen anderen mit Namen genannt hatte. Aber hatte nicht auch er Absolons Worte über Zsigmond Boros gebilligt? Dürfte der alte Herr nicht zu Recht erwarten, dass er sich hinter ihn stellt? Dass er ihn nicht im Stich lässt? Jetzt, da er zweifellos sein Leben aufs Spiel setzte, wo es doch feststand, dass man im Fall eines Duells die schwersten, dass man tödliche Bedingungen stellen würde, weil er keine Beweise vorgelegt hatte. Dabei sprach die Wahrscheinlichkeit dafür, dass von Absolon Beweise kaum zu erwarten waren. Es lag nicht in seiner Natur, Daten zu sammeln. Durfte er also zulassen, dass man den ehrenwerten alten Herrn womöglich umbrachte, wo dieser doch in allem recht hatte?
Stundenlang zermarterte er sich den Kopf, bis er schließlich seine Entscheidung traf. Um Frankels Akten würde er nicht bitten. Dies sparte er sich für den äußersten Notfall auf, denn er wollte Kossuth nicht schaden. Vielleicht würden die Dokumente gar nicht nötig sein; was in Dénestornya in der Schublade schlief, könnte reichen. Bei einem Strafprozess würden die Papiere allerdings nicht viel taugen, aber das eine oder andere Blatt ließe sich bestimmt finden, dem vor einem Ehrengericht entscheidende Bedeutung zukäme. Er beschloss, die Reise nach Siebenbürgen zu machen, um die Unterlagen zu holen. Zuvor besuchte er noch Alvinczy und hernach den alten Absolon. Er erzählte, was ihn hergeführt habe.
Den alten Tataren fand er in heiterer Stimmung.
»Lieb von dir, Vetter«, sagte er gutgelaunt, »dass du dir die Geschichte so sehr zu Herzen nimmst. Ich aber halte dafür, dass es da nicht der geringsten Beweisführung bedarf. Der einfältige Alvinczy allein hat diese Eselei erfunden. Denn entweder man schenkt mir Glauben, wenn ich jemanden ein Schwein nenne, und dann ist es eben so. Oder man ist dämlich genug, mir keinen Glauben zu schenken, und in diesem Fall wollen wir uns schlagen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich jemandem eine Kugel in den Bauch spediere!« Und mit großem Gusto erzählte er gleich, dass er vor zwanzig Jahren am Ufer des Tschertschen-darja drei Räuber, die ihn überfallen hätten, mit dem Revolver erschossen habe. Alle drei seien gleich umgekippt. »Wie die Hasen, mein Sohn, wie die Hasen! Und dabei waren das harte Burschen, nicht solche Schmierlappen! Eine Kleinigkeit ist das, Vetter, eine Kleinigkeit!«
Bálint verreiste.
Er hatte sich vorgenommen, nur drei Tage zu Hause zu verbringen. Einen Adriennes wegen in Klausenburg und zwei in Dénestornya, um alles Notwendige zusammenzustellen.
Als er aber zur Rückfahrt aufbrach und mit der Kutsche zum Bahnhof fuhr, um den Abendzug zu erreichen, geriet er in einen Schneesturm. Es war ein Schneefall wie im Januar, obwohl man schon Ende März schrieb. Der Kutscher fuhr in der Dunkelheit in einen kantigen Stein; ein Rad brach. So verpasste er den Nachtzug.
Eine ärgerliche Geschichte, denn er hatte Absolons Sekundanten versprochen, am Morgen des vierten Tags wieder zur Stelle zu sein; schwerwiegend war aber der Vorfall nicht, da es bis zum Zusammentritt des Ehrengerichts noch drei Tage dauerte. Um diesmal nicht wieder stecken zu bleiben, nahm er am Nachmittag den Bummelzug nach Klausenburg und wartete dort auf den Schnellzug. Sorgen bedrückten ihn, denn er hatte unterwegs die Briefe wiederholt durchgesehen.
An und für sich war keine Zuschrift viel wert. Doch das Gesamtbild, das sich bei ihrer Lektüre ergab, fügte sich zu einer schweren Anklage. Er würde das Material Alvinczy und Bogácsy zeigen, und sollten alle Stricke reißen, könnte er sich immer noch an Frankel wenden. Dessen Dokumente wären zweifellos entscheidend. Doch würde er dies nur tun, wenn es zum Äußersten käme! Er hielt diese Möglichkeit gleichsam in Reserve für den Fall, dass man erklären sollte, die vorgelegte Korrespondenz reiche als Grundlage für eine Entscheidung nicht aus. Der Umstand indessen, dass Ehrengerichte zwar ein Urteil zu fällen, die
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