Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
gutnachbarliches Verhältnis zu pflegen. Aehrenthals Sieg war vollkommen.
Abády freute sich über die Ereignisse, doch die Einzelheiten der Beerdigung beschäftigten auch ihn stärker, so insbesondere die verschiedenen Verlautbarungen. Er studierte sie, da er wissen wollte, ob nicht Worte gefallen seien, auf die er reagieren müsste. Doch außer allgemeinen Phrasen fand er kaum etwas. Er entschied sich trotzdem dafür, am Nachmittag den alten Alvinczy aufzusuchen und ihn um seine Meinung zu bitten: Drängte sich irgendein Schritt auf?
Bereits durch die Tür hindurch klang es nach einer heftigen Diskussion. Er fand vier Männer vor: Alvinczy, Bogácsy, Absolon und den beleibten Tamás Laczók.
Der Letztgenannte suchte Absolons Sekundanten zu überreden, die von ihm selber aus Siebenbürgen mitgebrachten, sehr klaren Belege jetzt der Öffentlichkeit vorzulegen. Er hatte sie den anderen gezeigt, gleich nachdem ihm die Einberufung eines Ehrengerichts bekannt geworden war. Nun gab er sich äußerst empört darüber, was er an diesem Tag über Boros gelesen hatte.
»C’était un infâme coquin, tout comme mon cher frère!«, rief er. Ein Schuft war er wie mein lieber Bruder. »Und dieses unmäßige Lob darf man nicht zulassen! Dem muss man entgegentreten!«
Mit seinem lauten Zorn füllte er den engen Raum ganz aus. Sein Bart flatterte in Knoten um sein Kinn. Er war offensichtlich nicht wegen der Boros gewidmeten Artikel so sehr aufgebracht, sondern darum, weil sich die Hoffnung, seinen Bruder vor dem Ehrengericht anzuschwärzen, zerschlagen hatte.
»Man muss enthüllen, was für ein Gesell das war! Und dass er Selbstmord begangen hat. Darüber munkelt man bereits in der Stadt. Außerdem weiß ich, dass man zu Hause gegen ihn Strafanzeige erstattet hat. Davor ist er feige geflüchtet.«
Bogácsy und Alvinczy begnügten sich, ihn kühl zurechtzuweisen. Absolon hingegen fühlte sich durch die Wut des kleinen Mannes amüsiert.
»Nun, dass er feige gehandelt habe, dieser Meinung bin ich nicht«, fiel er dem anderen ins Wort – vorab mit der Absicht, ihn zu ärgern. »Er hat in bestem Stil gehandelt. Jetzt tut es mir schon richtig leid, dass es so gekommen ist.«
»Es tut dir leid?«, entsetzte sich Laczók.
»Ja, natürlich«, lachte der alte Asienreisende, »ein so vollendetes Harakiri habe ich sonst nur in Japan gesehen. Er wäre es wirklich wert gewesen, dass ich ihm eine Kugel in den Bauch verpasse.«
»Was? Sich mit einem solchen Räuber duellieren? C’est absurde!«
»Rede mir über Räuber nicht so. Das gilt in China als ein ehrenwertes Handwerk. Man darf sie denn auch einzig mit dem Zweihänderschwert hinrichten, und das ist ein schöner und vornehmer Tod.«
Bálint meldete sich erst jetzt zu Wort. »Hat man tatsächlich gegen ihn Strafanzeige erstattet?«, fragte er, denn ihm waren gleich Dinóra und der Umstand eingefallen, dass sowohl Marosszilvás als auch ihre Wohnung in Pest auf Boros’ Namen standen.
»Allerdings, allerdings!«, beteuerte Laczók freudig. Endlich konnte er jemandem mit einem Beweis dienen. »Voilà! Hier habe ich das Telegramm, die Anzeige ist schon vor fünf Tagen eingegangen.«
Abády stand am nächsten Tag früh auf und begab sich in die Személynök-Straße. Er ging zu Fuß und schritt gemächlich dahin, um Zeit zu gewinnen für Überlegungen, was sich für die arme Dinóra tun ließe; er hatte bisher nicht darüber nachgedacht, was für eine Rolle ihm dabei zufallen könnte. Hilfsbereitschaft allein führte ihn zu ihr, und doch fürchtete er, dass Dinóra ihm Wortbruch vorwerfen könnte. Dabei hatte er das ihr gegebene Versprechen wirklich halten wollen. Es lag auf der Hand, dass die Strafanzeige Boros zumindest im gleichen Ausmaß zum Selbstmord getrieben hatte wie der Fall, mit dem sich das Ehrengericht befasste.
Er betrat die Halle des Mietshauses. Hier gab es nicht die kleinste Spur mehr davon, dass da auch nur das Geringste vorgefallen war. Alles präsentierte sich in vollkommener Ordnung. Eine kleine Reparatur bemerkte man einzig im oberen Drittel des von Drahtgeflecht umgebenen Schachts, in dem sich der Lift befand. Wie wenn man dort das Metallnetz mit einem neuen Stück geflickt hätte. Die schwere Kiste, mit der sich Boros in die Tiefe gestürzt hatte, mochte an jener Stelle die Einfassung aufgerissen haben.
Er läutete, und der Hauswart kam herbei.
»Fahren Sie mich bitte hinauf zu Gräfin Malhuysen«, sagte Abády. »Sie wohnt im fünften Stock, nicht
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