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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Tannen hindurchführte, gelangte er rasch zur unteren Steinmauer. Unterwegs fiel ihm der Sonntag ein, an dem er – es war beinahe ein Jahr her – am Tag des Neuen Brots zusammen mit der Mutter zum Abendmahl in die Kirche gegangen war. Damals hatte er noch darauf vertraut, dass sich seine Heirat friedlich werde regeln lassen. Ein Gelübde hatte er abgelegt, in sein Leben Ordnung zu bringen.
    Gram und Bitterkeit verspürte er bei dieser Erinnerung, was seine Abneigung, beinahe einen Ekel, noch steigerte – Gefühle, mit denen er jetzt ins einstige Haus seines Großvaters unterwegs war. Seit dem Tod des alten Herrn hatte er dessen Wohnstätte nicht mehr betreten. Damals, als er, der fünfzehnjährige Junge, aus dem Theresianum in Wien eintraf, lag Péter Abády schon aufgebahrt in der Mitte der Kirche. Seine Wohnung war verschlossen. Und da Frau Abády später Ázbej das Haus überließ, vermied er es immer, in den Garten, den Hausflur und die Zimmer einzutreten, wo sein Großvater selig in seiner Erinnerung weiterlebte.
    Heute aber musste er hin, er hatte keine Wahl. Das Kirchhoftor auf der anderen Seite öffnete sich schwer. Das verrostete Schloss quietschte. Der einst so schön gepflegte Weg dahinter war dicht von Unkraut bewachsen. Hier waren sie früher, die Mutter und er, nach dem Kirchenbesuch zum sonntäglichen Mittagessen gegangen. Der Pfad war nun zwischen den wuchernden Fliederbüschen ganz eng geworden. Bálint schaffte es kaum, unter den Zweigen durchzuschlüpfen. Dies schon stimmte ihn wehmütig. Der Garten bereitete noch mehr Schmerz. Die wundervollen Rosen des Großvaters waren verschwunden. Hier und dort stand noch ein alter, verholzter Stock, aus dem wilde Triebe herausschossen. Von den Kletterrosen an der Wand des Herrenhauses lebte nur noch ein Strauch, die anderen waren eingegangen. Den schmerzlichsten Anblick bot aber das Haus.
    Die vier griechischen Säulen der vorspringenden Veranda hatte man mit grüner Farbe zu falschem Marmor umgemalt. An die Decke hatte irgendein Pfuscher Schwalben, Schmetterlinge und Wolken gepinselt und dazu noch zwei Landschaften rechts und links von der Tür; ein Bild stellte Fiume dar, das andere Neapel mit dem schrecklich rauchenden Vesuv. In dieser kunterbunten Umgebung wälzte sich nun eine kleine, fette, schwarzhaarige Frau auf den knallroten Kissen eines Strohbetts. Ihr mit farbigen Pfingstrosen gemusterter Schlafrock war verrutscht, denn zwei Kleinkinder schliefen bei ihr, eines bei den Knien und ein anderes auf ihrer Brust, während ein drittes auf dem Boden Sommerbirnen mampfte, die neben ihm in einem Korb lagen.
    Dieses friedliche Bild verwandelte sich plötzlich in einen Sturm. Das kauende Kind stieß einen fürchterlichen Schrei aus, als es Abády erblickte, die liegende Frau blickte um sich, sie sprang auf, die zwei Kinder fielen von ihr kreischend herab, und dann rannte die ganze Familie, die Mutter und ihre Sprösslinge, zur Tür. Die Pantoffeln der Frau klapperten, die Kinder winselten, als sähen sie den bösen Waldzwerg, und – es dauerte nur einen Augenblick – schon wurden sie vom Dunkel des Zimmers verschluckt. Sie war merkwürdig, diese kopflose Flucht. Umso mehr, als die Frau und die Kinder Ázbej ähnlich sahen – wie aus dem Gesicht geschnitten: ebenso braun und behaart, auch so kugelförmig, man hätte meinen können, sie liefen gar nicht, sondern rollten weg.
    Abády blieb allein; die Birnen aus dem umgeworfenen Korb kullerten rundherum über den Boden. Ázbejs Frau wird bestimmt ihren Mann rufen, dachte Bálint. So blieb er stehen und wandte sich dem Garten zu. Die Komik der Situation übte auf ihn keine Wirkung aus. Ihn kränkte es schwer, diese einst so schöne, schneeweiße Veranda so hässlich entstellt wiederzufinden; in seiner Vorstellung hatte er hier immer seinen Großvater gesehen: Er saß da auf seinem harten Rohrstuhl, die kleine Meerschaumpfeife im Mund, mit dem silbern gewellten Haar und seinem lieben, weisen Lächeln. Bálint zog es vor, auf den Garten zu blicken, der, so verwildert er auch war, doch nur von der Vergänglichkeit kündete, nicht von der barbarischen Verschandelung, die auf der Veranda herrschte.
    Er verweilte aber nicht lange da. Nach kurzer Weile schoss unter Bücklingen der dicke, gedrungene Anwalt aus dem Haus.
    »Welche Ehre! Welch ein Glück!«, wiederholte Ázbej, während er sich vor lauter Ergebenheit bei jedem dritten Wort tief verbeugte. »Was belieben zu befehlen? Weshalb hatten Sie nicht die

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