Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Todkranke die kleinsten Einzelheiten über die Erziehung seines Sohns und die Verwaltung des Vermögens festgehalten hatte, stand unter anderem diese Anordnung: Sofern der damals kaum achtjährige Sohn nicht am Leben bleiben und die Witwe keine neue Ehe schließen sollte, möge seine Gattin nicht zulassen, dass das Familienvermögen in den Besitz entfernter Verwandter übergehe. Sie solle es vielmehr einer öffentlichen Institution schenken, etwa einer Stiftung, die den Namen Abády bewahren würde. Er hatte dabei an das Kollegium von Nagyenyed gedacht.
Die Mutter hatte ihm dies wiederholt erzählt. Und es mutete zwar nicht wahrscheinlich an, ließ sich aber keineswegs ausschließen, dass Róza Abády die Worte des Gatten in ihrer von Zorn bestimmten Sicht in diesem Sinn auslegen würde. Er wusste wohl, wie wenig die Mutter zum Verzeihen neigte, wenn sie einmal beleidigt worden war. Deshalb verabschiedete er sich von allem, bevor er seine Heiratsabsicht ankündigte.
Und dieser schmerzliche Abschied schnitt ihm in der Minute des Scheidens noch schärfer in die Seele. Das Automobil fuhr ostwärts, den Höhenzug oberhalb des Dorfes entlang. Unten hoben sich die alte Kirche und das Viereck von Großvaters Herrenhaus ab. Rechter Hand im Park standen die gewaltigen Pappeln. Er nahm die Schleifen des Aranyos wahr und auf der Ebene die Äcker des herrschaftlichen Guts und die Rennbahn, wo er so viel und oft geritten war. Dann folgte eine Straßenkurve, und alles verschwand. Sie langten unten auf dem Keresztes-Feld an, und nun ging es in raschem Tempo schon nordwärts, in Richtung Gyéres.
Hier zeigte sich das Schloss noch einmal. Es kniete auf einem vorspringenden Hügel über der Landschaft; die Sonne vergoldete seine lange westliche Fassade, die spitzen Kupferdächer der dicken Basteien ragten grün zum Himmel; auch die Veranda, auf der er immer mit der Mutter gefrühstückt hatte, lag auf dieser Seite. Doch schon wurde sie von den Kronen der unteren Bäume verdeckt, noch einige Minuten, und nun zeichneten sich über dem Meer des Blätterwerks der Umgebung nur noch das Dach und die Türme des Schlosses ab, die immer weiter in die Ferne rückten …
Bálint sah unentwegt zurück. Es war, wie er es empfand, ein tödlicher Abschied, als blicke er einem geliebten Wesen ins Gesicht, jemandem, der für immer scheidet. Die Häuser von Gyéres glitten in sein Blickfeld. Sie fuhren bereits durch das Dorf. Die Sicht auf Dénestornya war ihm nun genommen.
IV.
Dünner Regen fiel ununterbrochen. Manchmal wurde er stärker, manchmal schwächer, aber er ließ nicht nach. Abády war ins Hochgebirge hinaufgestiegen. Seit drei Tagen hielt er sich hier auf.
Als er sich von zu Hause gelöst hatte, hegte er eine einzige Absicht: sich mit Addy auszusprechen. So kam es, dass er in anderthalb Tagen in Klausenburg seine ganze Habe in Kisten verpackte und hernach zum Wald von Hunyad fuhr. Das Auto ließ er auf der Höhe der Wasserscheide stehen, den weiteren Weg legte er allein zu Fuß zurück. In der kleinen Hütte dort konnten sie sich endlich treffen. Sie verzogen sich in das Häuschen – es hatte ebenso geregnet wie jetzt. Eine bis zwei Stunden, nicht mehr. Es war ihnen nicht gegeben, einander länger wiederzusehen.
Von dort zurückgekehrt, wusste Bálint nichts mit sich selber anzufangen. Nach den Stürmen der letzten Tage suchte er Stille, Selbstbesinnung und Ruhe. Deshalb unternahm er diesen Ausflug in die Berge, wo er in der freien Natur allein sein durfte. Sollte sich Adrienne doch aufraffen und handeln, so war es hier sogar möglich, von ihr eine Nachricht zu bekommen.
Zutor sorgte bald für Ross und Wagen, die kleinen Reitpferde waren ohnehin in Szkrind bei den Forstwächtern des Gutes eingestellt, und das Zelt wurde am nächsten Tag von Béles herbeigeschafft. So unternahmen sie die Wanderung hinauf zu Abádys bevorzugtem Lagerplatz am oberen Ende der Priszlop-Wiese.
Der leise fallende Regen hatte etwas Besänftigendes. Es war ein leichter Schleier, der alles dämpfte. Das safrangelb leuchtende Laub der Ahorne durchdrang nur hier und dort das graue Gitterwerk des niederrieselnden Wassers. Die anderen Bäume waren noch grün, einzig die Schlehdorn- und Hagedornbüsche hatten sich bereits ein wenig rot gefärbt. Die handartigen Zweige der Tannen in der Nähe glänzten nass, wie lackiert. Kein Laut war zu vernehmen außer dem gleichmäßigen Trommeln der Regentropfen auf der Zeltplache. Kein Haselhuhn pfiff, keine Meise und
Weitere Kostenlose Bücher