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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Sätze klangen noch wehmütiger. Dr. Kisch finde, dass sich Uzdys Zustand ein klein wenig gebessert habe, jedoch nicht in dem Maß, dass man ihn irgendeiner Aufregung aussetzen dürfe. Man müsse warten. Warten, weiter warten …
    Bálint reiste am nächsten Tag zurück nach Siebenbürgen. Nun war es Zeit zum Handeln.

    Róza Abády saß am frühen Nachmittag im kleinen Gelben Salon an ihrem Schreibtisch. Der spätsommerliche Sonnenschein entzündete an den Bronzefiguren flammende Lichter und warf Blutflecken auf den roten Teppich. Die Tür ging auf. Ihr Sohn, das Gesicht sehr bleich, trat herein.
    Die Mutter wandte sich ihm zu, sie erhob sich nicht, erbleichte aber ebenso. Sie verstand sogleich, dass die schreckliche Minute, die sie schon seit Wochen vorausgesehen hatte, nun da war. Ihre großen, hellen Augen blickten Bálint in kalter Entschlossenheit an. Für einige Augenblicke trat tödliche Stille ein.
    »Liebe Mama«, sprach der Sohn, stehend und vor Aufregung heiser, »liebe Mama, ich habe mich entschlossen, die Ehe einzugehen, von der ich dir berichtet habe. Ich will dir dies jetzt melden … Ich kann so nicht weiterleben … Etwas anderes kann ich nicht tun …«
    Róza Abády rührte sich nicht. Sie richtete ihre leicht runde Gestalt ein wenig auf. Steif saß sie auf dem thronartigen Lehnstuhl, nun war sie eine richtige kleine, ältliche Königin – unbarmherzig und ruhig. Schleppend sprach sie die schon längst erwogenen Worte aus: »Ich habe bereits erklärt, was mein Standpunkt ist. Du hast gewählt. Dazu habe ich nichts hinzuzufügen.«
    Ihre Lippen blieben offen, als wolle sie noch etwas sagen, aber kein Wort verließ mehr ihren Mund. Ihr Arm allein hob sich, und ihr Finger setzte zur Bewegung an, um auf die Tür zu zeigen.
    Bálint hätte noch gern gesprochen, aber etwas schnürte seine Kehle zu, auch er brachte keinen Laut hervor. Er verbeugte sich tief und verließ mit langsamen Schritten den Raum. Leise schloss er die Tür hinter sich. Er torkelte ein wenig, als er die Treppe hinunterging, er musste sich am Geländer festhalten. Zum Glück sah ihm niemand zu. Seine Reisetasche hatte er im Voraus schon gepackt. Nun ergriff er sie und sah sich zum letzten Mal im Turmzimmer um. Eine Weile noch blickte er zum Fenster hinaus, betrachtete den Park, die prächtige Aussicht, die er so oft bewundert hatte, dann aber riss er sich los, durchquerte eilig die Vorhalle und stieg beim Haupteingang die paar Treppenstufen hinunter. Sein Auto wartete bereits auf ihn. Er nahm Platz.
    »Nach Klausenburg!«, sagte er zum Chauffeur, und die aufheulende Maschine rollte flink hinüber zum hufeisenförmigen Hof. Bálint blickte unter dem Torgewölbe noch einmal zurück.

    Er nahm Abschied, wie schon in den letzten fünf Tagen, die er hier verbracht hatte. Von allem hatte er sich verabschiedet, alle Räume besucht.
    Im großen Blauen Salon hatte er die vier Bleistatuetten gestreichelt, Werke Raphael Donners, die paarweise die Spiegeltische schmückten. Das Gleiche tat er mit dem lackierten chinesischen Schrank neben der Tür, dem Rokokorahmen des Hofstallmeisters Abády und den ledergebundenen alten Bänden in der Bibliothek. Im Rauchsalon blieb er vor den Familienbildnissen stehen. In seinem einstigen Kinderzimmer setzte er selbst jene komische Wanduhr in Gang, an der, wenn man an einer Schnur zog, zwei Blechfrösche ein endloses Duell austrugen – wie viel hatte er als kleiner Junge über die beiden gelacht!
    In jeder Ecke, bei jedem Möbelstück – Erinnerungen überall. Er besuchte die große Lindenallee, den Ort seiner Reitstunden, und betastete den dicken Baumstamm, bei dem sein erstes Pony ihn gewöhnlich zu Boden geschleudert hatte. Er zog durch den Tannenwald im oberen Garten und durchstreifte die Insel Nagyberek; hier hatte er in den Schulferien allein für sich »Lederstrumpf« und in der Rolle eines Brigadiers Kuruzenkriege 87 gespielt. Den Stuten draußen im Paddock reichte er Zucker, kratzte die Fohlen an der Kruppe und sagte seinen Reitpferden einzeln Lebewohl.
    Er wollte sich von allem verabschieden. Wer weiß, ob er all dies, das er zeit seines Lebens so geliebt hatte, je wiedersehen würde?
    Wer weiß, ob die Mutter sich je bereitfände, ihm zu verzeihen? Und ob sie, wenn sie ihn schon verstieß, Dénestornya vor ihrem Tod nicht testamentarisch verschenken würde? Bálint kannte ja die Anweisung, die sein Vater, Tamás Abády, seiner Frau erteilt hatte. Im umfangreichen Heft, in dem der damals schon

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