Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
freue mich sehr, dass mir das gelungen ist«, sagte der Mann. Er seufzte tief und begann dann verlegen zu lachen. »Seltsam? Was? Macht nichts! Es gibt eben auch seltsame Dinge. Sehr seltsame!« Nun zögerte er einen Augenblick und fügte dann sehr schnell und sehr ernst, beinahe flehend hinzu: »Ich will, dass Sie heute immer bei mir, immer in meiner Nähe bleiben, immer. Nicht wahr, Sie tun’s für mich? Nicht wahr?«
»Gewiss, gern. Aber … was geht vor?«
Uzdys baumlange Gestalt beugte sich hinab zu Adriennes Ohr. Schrecken spiegelte sich in seinen Augen. »Meine Mutter … meine Mutter hat von Klausenburg einen Arzt kommen lassen. Das richtet sich gegen mich! Sie lügt vor, sie habe ihn wegen des kleinen Mädchens bestellt, aber ich weiß es besser! Darum bin ich geflüchtet, hinaus zu Ihnen, damit er mich nicht allein findet … nicht allein … für keinen Augenblick allein!«
Mit erregt zitternder Hand schüttelte er die Schulter der Frau. Und nun flüsterte er kaum vernehmlich: »Die alte Hexe will mich ins Irrenhaus sperren lassen wie einst schon meinen Vater! Bitte, lassen Sie es nicht zu … lassen Sie es nicht zu! Solange Sie bei mir sind, werden sie nicht den Mut haben, es zu tun!«
»Ach wo! Reine Einbildung … Warum sollte sie es wollen?«
»Doch, es ist so! Es ist so!«, kreischte Uzdy. »Ich habe es schon seit langem vermutet … Ich habe ihre Briefe geöffnet … Sie hat ihn bestellt … Ich habe es gelesen, ich weiß es! Aber jetzt wollen wir gehen, ja, gehen!« Und schon ergriff er die Hand seiner Frau und führte sie mit seinen langen Schritten so schnell den Berg hinunter, dass Adrienne kaum mitzuhalten vermochte.
In der Mitte des runden Rasenplatzes verlangsamte Uzdy seinen Lauf. Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und schlenderte mit gleichgültiger Miene zum Haupteingang. Diese Verwandlung vollzog sich so schnell und war so vollkommen, dass Adrienne hätte meinen können, sie habe die Szene zuvor geträumt, doch Uzdy zischte jetzt noch einmal zwischen den Zähnen: »Bleiben Sie bei mir … bei mir …«
Die alte Gräfin Clémence unterhielt sich vor dem Haus mit einem fremden Herrn. Als ihr Sohn und ihre Schwiegertochter ankamen, stellte sie ihn vor: »Dr. Palkovics, Universitätsdozent …« Sie begann gleich auseinanderzusetzen – genau so, wie Uzdy es vorausgesagt hatte –, dass sie ihn wegen der Enkelin habe kommen lassen. Und sie fuhr mit ihren gewundenen Erklärungen fort. Das kleine Mädchen, finde sie, sei nervös; sie schlafe nachts schlecht, fahre oft auf, deshalb habe sie gedacht, dass man vorsichtshalber … Etwas Ernsthaftes liege nicht vor, aber die Untersuchung eines solchen Kindes empfehle sich von Zeit zu Zeit. Sie sprach ein wenig zu viel, ungewöhnlich viel, verglichen mit ihrer sonstigen Wortkargheit. Auch tat sie es mit der Manieriertheit von Leuten, die sich niemals verstellen, für einmal aber etwas vorspiegeln möchten. Zuletzt fügte sie hinzu: »Im Übrigen habe ich auch mich selber untersuchen lassen …« Und sie bemühte sich zu lachen, als handle es sich bei all dem nur um einen Spaß.
Der Dozent, ein kleiner, runder und gemütsvoller Mann, verlängerte den Satz: »Selbstverständlich, verschlägt es einmal einen Arzt aufs Land, dann untersucht er alle der Reihe nach, das bin ich schon gewohnt. In der Provinz ergeht es mir immer so.«
Nun meldete sich Uzdy zu Wort. Er hatte etwas merkwürdig Devotes an sich. Adrienne hatte ihn niemals so gesehen. Ein wenig gebückt schwankte er, trat abwechselnd von einem Bein aufs andere. Er blickte auf seine Mutter und dann wieder auf den Arzt. Wie eine riesige, magere Bulldogge, die Unheil verspürt und sich unterwürfig duckt, da sie den Schlägen entgehen möchte, so wirkte er. Seine Stimme klang süßlich und gemein schmeichlerisch: »Sollte vielleicht auch ich mich untersuchen lassen? Nun gut. Aber natürlich! In diesem Fall doch jetzt gleich. Nicht wahr, liebe Mama, am besten machen wir es so.« Und er wandte sich an den Arzt: »Bitte, wenn es beliebt, vielleicht gehen wir hinunter in mein Zimmer, falls Sie nichts dagegen haben, und Adrienne auch, ja, auch sie soll mitkommen, ja, auch sie …«
Mit breiten Armbewegungen lud er die beiden ein, das Haus zu betreten, dann schritten sie den Korridor entlang. Den Doktor ließ er vorangehen, Adrienne führte er neben sich an der Hand. Wie ein Schraubstock, so hart drückten seine Finger, aber das unterwürfige Lächeln wich nicht von seinen Lippen.
Im
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