Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Verrücktheit?«, fragte Uzdy in honigsüßem Tonfall, worauf seine Stimme dann jäh drohend umschlug; schleppend fragte er: »Hat das vielleicht einen Grund?«
Adrienne hätte ihm gern ins Gesicht geschleudert, dass sie ihn hasste. Doch dies hatte sie schon versucht. Sie wusste, dass sie ihn damit nicht vertreiben, sondern in ihrem Mann die Begierde, das Verlangen des auf Frauenraub ausziehenden Urmenschen, erst recht entfachen würde. Darum sagte sie kalt nur so viel: »Nein. Ich will bloß nicht. Heute nicht! Nur so viel!«
Die Faust des Mannes lehnte sich an die Tür; seine turmhohe Gestalt neigte sich langsam Adrienne zu, doch sie trat plötzlich zurück, stieß ihn blitzschnell von sich und entwich durch die Tür, die sie mit dem Schlüssel abschloss.
Es hatte nur einen Augenblick gedauert. Mit klopfendem Herzen wartete sie hinter der Tür. Würde er poltern, die Tür eindrücken? Weder der Mann noch die Frau bewegte sich. So standen sie sehr lange an den zwei Seiten der Tür, sie im stockdunklen Zimmer, er im dämmerigen Korridor. Man hörte, wie der alte Maier den Haupteingang schloss, auch seine Schritte, als er den mit Kieselsteinen bestreuten Hof durchquerte, waren zu vernehmen. Stille trat ein. Die beiden standen immer noch da …
Nach geraumer Zeit drehte sich Uzdy endlich um und machte sich auf den Weg in den unteren Stock. Dass er nachgiebiger war, lag vielleicht daran, dass er sich am Nachmittag hatte ausleben dürfen. Leise ging er davon, doch die Verbindungstreppe, die zur Wohnung im Erdgeschoss führte, knarrte ab und zu unter seinen Schritten. Adrienne vernahm diesen Ton, der, wenn er in der Nacht nahte, sie mit so viel Entsetzen erfüllte. Ihre Topasaugen öffneten sich weit. Siegesfreude durchströmte sie. Endlich! Endlich einmal! Endlich war es ihr gelungen, den eigenen Körper vor der verhassten Umarmung zu bewahren. Es war der Rausch des rebellierenden Sklaven, ein Taumel, der sie ergriff. In ihrem breiten Bett, wo sie in ihren zerwühlten Leintüchern so oft gedemütigt geweint hatte, konnte sie diesmal längere Zeit nicht einschlafen. Jetzt war es der Sieg, der sie lange wach hielt … Irgendwo in der Ferne krähten bereits die ersten Hähne, als sie endlich in Schlaf sank.
Abády brach am nächsten Morgen doch nicht so früh auf, um zurück in den Wald zu ziehen, wie er geplant hatte. Es ging auf neun Uhr zu, als er seinen Rucksack über die Schulter hängte. Selbst jetzt zögerte er noch den Abgang hinaus. Ihn trieb es dazu, Addy zu treffen, mit ihr einige Worte zu wechseln, das Weitere zu besprechen. Zaudernd ging er in den Hof hinaus.
Kaum hatte er die rasenbedeckte Runde erreicht, als Adrienne jugendfrisch schon neben ihm stand. Ein Glimmen lag in ihren gelben Augen.
»Ich komme mit, wir müssen miteinander reden«, sagte sie.
Aber es dauerte nur einige Schritte, bis das äußerste Fenster des Korridors aufging. Pál Uzdy stand dahinter. Dass er, sonst ein Langschläfer, so früh schon wach war, wirkte derart überraschend, dass sie beide erstarrt stehen blieben.
»Ich wollte mich mit gebührender Höflichkeit von dir verabschieden, natürlich, das gehört sich«, rief der Hausherr. »Warte, ich komme hinaus zu dir, warte auf mich!«
Seine schlaksige Gestalt verschwand. Bálint und Adrienne blickten einander an. Was sollte das bedeuten? Hatte er sie belauert? Gehört, dass sie sich duzten? Doch Uzdy, in ein dunkelgraues Gewand gehüllt, nahte bereits; wie eine märchenhafte Vision, so kam er langsam auf sie zu. »Ich wollte dich bitten, du möchtest die Güte haben, von dem, was ich dir gestern erzählt habe, niemandem etwas mitzuteilen. Gar keinem! Die Angelegenheit ist so gewaltig und zugleich so einfach – da könnte es passieren, dass jemand mir die Idee stiehlt, sie irgendwo veröffentlicht, und dann ginge meine Arbeit verloren. Ebenso wie der Ruhm, ja, der Ruhm! Denn die Idee, nicht wahr, sie ist die Hauptsache! Sie, die Idee!«, sagte er beinahe bellend und klopfte sich mit einem weit gestreckten Finger auf die Stirn, um hernach den Arm hochzuwerfen. »Die Idee, das macht es!«
Bálint gelobte Geheimhaltung. Er drückte ihm die Hand. Dann zog er los. Die Frau schloss sich ihm an.
»Liebste Adrienne, gehen Sie mit meinem vorzüglichen Freund auch fort?«, fragte Uzdy, die Worte langsam aneinanderfügend. Die Frau wandte sich ihm jäh zu. Ihre schwarzen Haarsträhnen flatterten wohl noch wilder als sonst. Ihre leicht gebogene Nase wirkte messerscharf; das Kinn hob
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