Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
unterwegs?«
»Der Székler Kongress wird in Homoród abgehalten, wie bekanntgegeben. Er beginnt morgen. Dorthin geht unsere Reise.«
»Schön, sehr schön. Sie tun klug daran, sich um die Not des Volks zu kümmern. Sehr richtig. Und wie wunderbar die Ungarn so etwas zu veranstalten verstehen. Die vielen schönen Ansprachen, die große Begeisterung! Nirgends in der Welt bringt man so etwas zuwege.«
Der Zug aus südlicher Richtung dampfte gerade herein. Auch diesen Wagen entstiegen viele Reisende in Feiertagskleidern, und die Hochrufe, der Chorgesang und die Ansprachen wiederholten sich vor dem Bahnhof. Der Gesangverein stimmte frisch das Kossuth-Lied an, Hüte wurden geschwenkt, Tücher und Fahnen flatterten.
»Wer ist der Magnat dort in ungarischer Gala?«, fragte der alte Anwalt, während er auf Soma Weissfeld zeigte; ein schelmisches Lächeln erschien für einen Augenblick unter seinem starken, weißen Schnurrbart.
»Ein Bankier aus Vásárhely«, antwortete Bálint trocken, und um Timişans Spötterei ein Ende zu setzen, fuhr er mit einer Frage fort: »Und Sie, Herr Abgeordneter, wohin reisen Sie? Sie sind, wie ich sehe, in Gesellschaft.«
»Wir fahren nach Kronstadt. Wir haben dort eine kleine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten.«
»Wir könnten uns in diesem Fall unterwegs unterhalten. In welchem Wagen sitzen Sie?«
»Sie würden mir damit eine hohe Ehre erweisen, Herr Graf, aber ich reise wegen meiner Freunde in der dritten Klasse, und da könnte ich mich kaum entfernen. Und das dort ist wiederum keine Gesellschaft für einen so vornehmen Herrn. Es sind einfache, sehr einfache Leute.«
Und beim letzten Satz machte der alte Anwalt mit der Hand eine abwinkende Geste und lachte dazu breit, als amüsiere er sich über den versteckten Sinn der eigenen Worte.
Die zwei Eisenbahnzüge wurden zusammengehängt, und der verlängerte Zug dampfte unter den Klängen des Rákóczi-Marsches aus dem Bahnhof. Man hatte mittlerweile die Lokomotive beflaggt. So in Fahnenschmuck rollte sie über die Maros-Brücke, durchlief die breite, fruchtbare Ebene, um hernach im Rachen der gegenüberliegenden Hügel zu verschwinden.
Sie erreichten Balázsfalva. Dies war der Sitz des griechisch-katholischen Erzbischofs, der Ort, wo die rumänischen nationalen Bewegungen schon seit anderthalb Jahrhunderten immer ihren Ausgang nahmen. Hier schlossen sich die Leute an, die von Dicső her gekommen waren und von Jóska Kendy angeführt wurden. Er amtete nun als Obergespan in Kis-Küküllő. Die Stummelpfeife im Mund, sprach er natürlich kein Wort, aber die anderen lieferten dafür ausgiebig Ersatz. Auch hier gab es weißgekleidete kleine Mädchen, mit Bändern geschmückte Blumensträuße, Ansprachen und Begrüßungen. Auf Weissfeld, als sie ihn erblickten, brachten die Leute sogar Hochrufe aus, weil sie wegen seiner Kleidung glaubten, den Beauftragten des Ministers vor sich zu haben.
Bálint, am Fenster stehend, beobachtete gerade diese Szene, als ihm ein junger Priesterseminarist auffiel, der, ohne nach rechts oder nach links zu schauen, zu den letzten Wagen des Zuges eilte. Ihm schien, er kenne ihn. Es war ein sehr magerer junger Mann mit den typischen roten Flecken eines Lungenkranken auf der dunkel gefärbten Haut der Wangen. Wo hatte er dieses Gesicht schon gesehen? Er blickte ihm nach.
Der junge Mann blieb vor einem der Dritte-Klasse-Wagen stehen. Kaum stand er dort, als aus einem Fenster ein Arm herausschoss; jemand reichte ihm von oben eine starke Hand herunter. Er selber übergab dem anderen ein kleines Stück Papier, drehte sich dann um und ging zurück zum Rand des Bahnsteigs. Jetzt musterte er den fahnengeschmückten Zug. Sein Blick begegnete jenem von Abády. Bálint erkannte ihn nun. Es war der Sohn des Popen im Hochgebirge, den er vor einigen Jahren in Gyurkuca getroffen hatte, als Timbuş, sein Vater, ihn herbat, weil er für seine Kirche irgendwelche Baumaterialien benötigte. Dort hatte er dieses Gesicht gesehen, diese wie Glut glimmenden Augen. Er blickte ihm auch jetzt mit dem gleichen stummen Hass entgegen wie damals, als er vor dem Pfarrhaus in einen Pelz gewickelt reglos in der Sonne gelegen war. Er hatte seither vernommen, dass es ihm etwas besser gehe, dass er das Seminar besuche, und ihm fiel die Bemerkung des Kreisnotars Simó ein: »Der Priester Timbuş ist einer unserer verlässlichen Männer, aber sein Sohn ist Dakorumäne 27 .«
Timbuş junior blieb an der Bahnstation. In starrer Haltung
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